DIPL.-KFM. WERNER MUNDORF · STEUERBERATER · DEMMIN


Aufbewahrungspflichten

6. Aufbewahrungspflichten
6.1 Nach Handelsrecht

Nach § 257 Abs. 1 HGB ist jeder Kaufmann (zum Begriff vgl. Abschnitt 2.2) verpflichtet, die folgenden Unterlagen geordnet aufzubewahren:

  1. Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Konzern... sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen;
  2. die empfangenen Handelsbriefe;
  3. Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe sowie
  4. die Buchungsbelege.

Mit Ausnahme der Eröffnungsbilanzen, der Jahresabschlüsse und der Konzernabschlüsse dürfen die obengenannten Unterlagen auch auf Bild- oder Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies sowohl den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht als auch sichergestellt ist, daß diese bei späterer Lesbarmachung bildlich – bei Buchungsbelegen und empfangenen Handelsbriefen – bzw. inhaltlich – bei den übrigen Unterlagen – mit den Originalen übereinstimmen. Außerdem muß bei diesem Verfahren sichergestellt sein, daß innerhalb der Aufbewahrungsfrist diese Unterlagen jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können – § 257 Abs. 3 Satz 1 HGB.

Werden die Bücher im Rahmen einer Speicherbuchführung geführt, so können die gespeicherten, nicht verdichteten Daten für Archivierungszwecke auch ausgedruckt und hiernach die gespeicherten Daten gelöscht werden. Auch mit diesen Unterlagen kann anschließend in der oben beschriebenen Weise verfahren werden; z. B. Archivierung auf Mikrofilm mit anschließender Vernichtung der Ausdrucke. Zulässig sind auch sowohl das COM-Verfahren (Computer Output Microfilm), bei dem die gespeicherten Daten unmittelbar auf Mikrofilm übertragen werden, als auch die Umspeicherung auf andere Datenträger.

Die oben in den Nummern 1 und 4 genannten Unterlagen sind zehn Jahre, die übrigen Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren [Aufbewahrungsfrist] – § 257 Abs. 4 HGB.

Die Aufbewahrungsfrist beginnt gemäß § 257 Abs. 5 HGB mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem

6.2 Nach Steuerrecht
6.21 Allgemeines

Die handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten gelten nur für Kaufleute. Daher hat das Steuerrecht über § 147 AO eigene Aufbewahrungspflichten geschaffen, die für alle Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtigen im Sinne der §§ 140, 141 AO, also auch – aber nicht nur – für Kaufleute gelten. Diese entsprechen zwar in weiten Teilen ihren handelsrechtlichen Pendants, gehen aber sowohl hinsichtlich des Umfangs der aufzubewahrenden Unterlagen als auch im Hinblick auf die Aufbewahrungsfristen weiter. Im übrigen gilt, daß Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten einerseits und Aufbewahrungspflichten andererseits sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch hinsichtlich des betroffenen Personenkreises deckungsgleich sind: Die Aufbewahrungspflicht ist akzessorisch zur Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht. Zum Kreis der persönlich zur Aufbewahrung Verpflichteten vgl. daher Abschnitt 2.3.

Im Gegensatz zur Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht endet die Aufbewahrungspflicht weder bei Aufgabe noch bei Gesamtrechtsnachfolge, z. B. durch Veräußerung; sie geht auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger, z. B. den Erwerber, über. Bei Übernahme aufbewahrungspflichtiger Unterlagen durch den Erwerber bleibt vielmehr der Veräußerer aufbewahrungspflichtig für alle Unterlagen, die während seiner Tätigkeit angefallen sind. Da die Aufbewahrungspflicht öffentlich-rechtlicher Natur ist, kann diese (Aufbewahrungs-) Pflicht nicht durch privatrechtliche Vereinbarung auf den Erwerber übertragen werden.

Soweit aufzubewahrende Unterlagen mit Hilfe einer EDV-Anlage erstellt worden sind, hat die Finanzbehörde ab dem 1. Januar 2002 das Recht, im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung (Betriebsprüfung) Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das EDV-System selbst zur Prüfung solcher Unterlagen zu nutzen. Sie kann im Rahmen einer Betriebsprüfung nach ihrer Wahl verlangen, daß die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet werden oder ihr die gespeicherten Unterlagen auf einem maschinell auswertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden; gegebenenfalls kann sie auch beides verlangen   –   § 147 Abs. 6 AO.

6.22 Aufzubewahrende Unterlagen
6.221 Bücher und Aufzeichnungen

Aufbewahrungspflichtig sind alle Bücher, die für steuerliche Zwecke geführt werden müssen; vgl. hierzu Abschnitt 2.5.

6.222 Inventare

Inventare sind Aufzeichnungen über körperliche Bestandsaufnahmen. Ihre Aufbewahrung dient der Beweissicherung und der späteren Kontrollmöglichkeit. Folglich sind die Verhältnisse des jeweiligen Betriebs für den Umfang der im einzelnen aufzubewahrenden Unterlagen entscheidend. Uraufzeichnungen, z. B. Aufnahmezettel, Wiegescheine, usw., sind sonstige Unterlagen im Sinne von § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO; vgl. Abschnitt 6.227.

6.223 Jahresabschluß

Der Jahresabschluß besteht bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 Abs. 3 HGB), bei Kapitalgesellschaften (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB) und Genossenschaften (§ 336 Abs. 1 Satz 1 HGB) zusätzlich aus dem Anhang (§§ 284 ff. HGB). Kapitalgesellschaften und Genossenschaften haben darüber hinaus einen Lagebericht aufzustellen (§ 289 HGB). Letzterer ist zwar kein Bestandteil des Jahresabschlusses, jedoch unterliegt auch dieser der Aufbewahrungspflicht (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB, § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO). Aufbewahrungspflichtig sind ebenfalls Eröffnungsbilanzen, Zwischenbilanzen und andere Sonderbilanzen.

6.224 Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen

Hierzu rechnen alle zum Verständnis der Bücher und der sonstigen Aufzeichnungen erforderlichen Unterlagen; vgl. hierzu Abschnitt 2.5 sowie zu den Besonderheiten bei EDV-Buchführungen Abschnitt 4.2.

Aus dem Sinn und Zweck der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, daß nämlich ein Sachverständiger in die Lage versetzt wird, sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Lage des Unternehmens verschaffen zu können, folgt, daß alles, was zu diesem Zweck aufgezeichnet wird, auch aufbewahrt werden muß. Hierzu rechnen insbesondere auch alle Aufzeichnungen, Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen, die zum Verständnis der Buchführung selbst oder anderer Aufzeichnungen erforderlich sind, weil sie die Technik des Rechenwerks erläutern. Hierzu gehören wiederum insbesondere Kontenpläne und Abkürzungsverzeichnisse, bei EDV-Buchführungen zusätzlich die vollständige Programm- und Verfahrensdokumentation. Diese muß so beschaffen sein, daß sowohl eine Einzelfallprüfung – bezogen auf den einzelnen Geschäftsvorfall – als insbesondere auch eine Systemprüfung – bezogen auf das zugrundeliegende Buchführungssystem selbst – möglich ist. Gerade wegen der Masse des anfallenden Buchungsstoffes ist eine solche Systemprüfung oft schon deswegen unerläßlich, um eine Buchführung in angemessener Zeit prüfen zu können.

Gerade bei EDV-Buchführungen, deren Technik einem schnellen Wandel unterlegen ist, hängt es jeweils von den Umständen des Einzelfalles ab, welche Unterlagen im einzelnen aufzubewahren sind. Der Grundsatz der Nachprüfbarkeit erfordert jedoch allgemein die Nachvollziehbarkeit des Verarbeitungsverfahrens und den Nachweis darüber, daß das Verfahren auch tatsächlich entsprechend seiner Dokumentation durchgeführt worden ist.

Auch an dieser Stelle sei nochmals eindringlich darauf hingewiesen, daß die Prüfung einer EDV-Buchführung ohne ausführliche EDV-Dokumentation in der Regel unmöglich ist. Die Finanzverwaltung geht daher von der Existenz einer solchen Dokumentation aus und bedient sich im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung (Betriebsprüfung) bereits seit langem eines EDV-Fragebogens, der den Prüfer darüber informieren soll, mit welchen Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen er bei der Prüfung der einzelnen Sachbereiche rechnen kann. Zum Fragebogen der Wirtschaftsprüfer vgl. Stellungnahmen des Fachausschusses für moderne Abrechnungssysteme (FAMA) 1 / 1987 in der Fassung von 1993, FAMA-Checkliste „DV-Systemprüfung” erstmals veröffentlicht in Die Wirtschaftsprüfung 1988, 15 ff. als „Fragebogen EDV-Systemprüfung”. Hinsichtlich der besonderen Aufbewahrungspflichten bei elektronischer Datenübermittlung vgl. auch FAMA 1 / 1995.

6.225 Handels- und Geschäftsbriefe – § 238 Abs. 2 HGB, § 147 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 AO

Da nicht nur Kaufleute der steuerrechtlichen Buchführungspflicht unterliegen, nennen § 147 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 AO, neben den Handelsbriefen auch die Geschäftsbriefe. Mit Handelsbriefen meint das Gesetz die Korrespondenz des Kaufmanns, mit Geschäftsbriefen die Korrespondenz der übrigen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtigen.

Handelsbriefe sind nach § 257 Abs. 2 HGB ausdrücklich nur solche, die die Vorbereitung, die Durchführung oder die Rückgängigmachung eines Handelsgeschäftes im Sinne von §§ 343, 344 HGB zum Gegenstand haben. Mit Handelsbriefen sind allerdings nicht nur Briefe im herkömmlichen Sinne, also per Post zugestellte Schriftstücke, gemeint, sondern auch Fernschreiben, Telefaxe, eMails oder Telegramme. Niederschriften und Aktenvermerke sind keine Handelsbriefe und auch keine Geschäftsbriefe; sie gehören jedoch zu den sonstigen aufzubewahrenden Unterlagen im Sinne von § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO.

Aufzubewahren sind sowohl die eingehende Korrespondenz – im Original – als auch die ausgehende Korrespondenz – als Wiedergabe.

6.226 Buchungsbelege – § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO

Buchungsbelege in diesem Sinne sind alle Unterlagen über die einzelnen Geschäftsvorfälle; sie sind die Grundlagen der einzelnen Eintragungen in die Geschäftsbücher und für die sonstigen Aufzeichnungen. Nicht aufbewahrungspflichtig sind also die Auszüge eines privaten Bankkontos, wenn hierüber keine betrieblichen Vorgänge abgewickelt worden sind; vgl. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, EFG 1988, 502. Zur Aufbewahrungspflicht von Kontoauszügen zu einem Bankkonto, über das neben betrieblichen auch private Vorgänge abgewickelt werden, vgl. Finanzgericht Hamburg, EFG 1991, 636.

Je nach Geschäftsvorfall kommen insbesondere folgende Arten von Buchungsbelegen in Betracht:

6.227 Sonstige Unterlagen – § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO

Sonstige Unterlagen in diesem Sinne sind grundsätzlich alle Unterlagen, die in einem Unternehmen anfallen – außer Buchungsbelegen. Diese Unterlagen müssen sich nicht auf konkrete Geschäftsvorfälle beziehen; es reicht vielmehr aus, daß sie – in irgendeiner Form – „für die Besteuerung von Bedeutung” sind; vgl. hierzu Abschnitt 2.1. Hierzu rechnen jedoch keine Unterlagen, die zwar im Unternehmen angefertigt wurden, die jedoch die Privatsphäre betreffen; z. B. Nachweise über Werbungskosten. Für diese Unterlagen besteht – nach Vorlage beim Finanzamt – keine Aufbewahrungspflicht (nach Rückgabe durch das Finanzamt). Hieraus folgt auch keine Aufbewahrungspflicht für die Auszüge eines privaten Bankkontos, wenn diese keine betrieblichen Vorgänge enthalten; möglicherweise werden sie jedoch noch zum Nachweis von Werbungskosten oder Sonderausgaben gegenüber dem Finanzamt benötigt.

Durch die Erweiterung auf Aufzeichnungen und Unterlagen, „soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind”, wird aber eine Aufbewahrungspflicht auch für solche Aufzeichnungen geschaffen, die nach anderen als steuerrechtlichen Vorschriften vorzunehmen sind, soweit nicht schon nach diesen außersteuerrechtlichen Vorschriften eine entsprechende Aufbewahrungspflicht besteht.

Bei sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 AO, die digitalisiert sind und nicht in Papierform übermittelt worden sind, muß das dabei angewendete Verfahren den GoBS entsprechen, der Originalzustand der übermittelten Daten muß erkennbar sein (§ 146 Abs. 4 AO) und die Speicherung hat auf einem Datenträger zu erfolgen, der Änderungen nicht mehr zuläßt.

Bei einer temporären Speicherung auf einem änderbaren Datenträger muß das DV-System sicherstellen, daß Änderungen nicht möglich sind. Bei Konvertierung der sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen in ein In-House-Format sind beide Versionen zu archivieren und nach den GoBS mit demselben Index zu verwalten sowie die konvertierte Version als solche zu kennzeichnen. Sofern Signaturschlüssel und / oder kryptographische Verfahren verwendet werden, sind die verwendeten Schlüssel ebenfalls aufzubewahren.

Außerdem sind bei sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen der Eingang, ihre Archivierung und gegebenenfalls ihre Konvertierung sowie die weitere Verarbeitung zu protokollieren.

Originär digitale Unterlagen nach § 146 Abs. 5 AO sind auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu archivieren. Sie dürfen nicht ausschließlich in ausgedruckter Form oder auf Mikrofilm aufbewahrt werden. Somit reicht die Aufzeichnung im COM-Verfahren (Computer-Output-Microfilm) ab dem 1. Januar 2002 nicht mehr aus.

Beispielhafte Einzelfälle sonstiger Unterlagen:

6.23 Aufbewahrungsfristen – § 147 Abs. 3 und 4 AO

Es gibt keine einheitliche Aufbewahrungsfrist, sondern verschiedene Fristen. § 147 Abs. 3 Satz 1 AO nennt zwei feste Fristen, nämlich die zehnjährige Frist für die Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AO (vgl. Abschnitte 6.221 bis 6.224 und Abschnitt 6.226) und die sechsjährige Aufbewahrungsfrist für die Unterlagen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 5 AO, also für Korrespondenz und sonstige Unterlagen (vgl. Abschnitte 6.225 und 6.227). Diese Fristen stimmen mit den korrespondierenden Fristen des Handelsrechts überein.

Diese Übereinstimmung zwischen handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen geht verloren durch die Ablaufhemmung des § 147 Abs. 3 Satz 3 AO: „Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.”

Für die Praxis bedeutet dies, daß die festen Aufbewahrungfristen faktisch ohne Bedeutung sind und die Aufbewahrungspflicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag ausgedehnt wird. Es ist nämlich kaum möglich, nur dasjenige Material auszusondern und zu vernichten, das solche Steuern betrifft, deren Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist. Denn einerseits läßt sich nicht überblicken, welches Material für welche Steuern im Einzelfall von Bedeutung ist und andererseits tritt die Ablaufhemmung in bestimmten Fällen erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ein. Letztlich lassen sich nicht einzelne Teile des Materials aussondern, ohne die Ordnung (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AO: „Die ... Unterlagen sind 'geordnet' aufzubewahren...”) des gesamten Ablagesystems zu beeinträchtigen oder gar ganz zu zerstören.

Vereinfachend kann folgende Regel angewendet werden: Spätestens nach Ablauf der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist müssen nur noch diejenigen Unterlagen aufbewahrt werden, die für eine begonnene steuerliche Außenprüfung (Betriebsprüfung), für eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 AO, für anhängige straf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen, für ein schwebendes oder aufgrund einer Betriebsprüfung zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren oder zur Begründung eigener Anträge von Bedeutung sind.

Diese faktische Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für alle Unterlagen auf mindestens zehn Jahre ist zwar auch nicht befriedigend, aber in Anbetracht der drohenden Sanktionen bei Verletzung der Aufbewahrungspflichten immer noch das kleinere Übel.

6.24 Verletzung der Aufbewahrungspflichten

Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Aufbewahrungspflicht Bestandteil der Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht. Daher führen Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht zu den gleichen Rechtsfolgen wie Verstöße gegen die Buchführungspflicht selbst; insbesondere nimmt schon allein der Umstand des Abhandenseins aufbewahrungspflichtiger Unterlagen der Buchführung ihre Ordnungsmäßigkeit. Fehlende Bücher können auch nicht durch Zeugenaussagen ersetzt werden. Folglich hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen – § 162 Abs. 2 Satz 2 AO. Im Einzelfall kann die Verletzung von Aufbewahrungspflichten auch nach § 370 AO als Steuerhinterziehung strafbar oder nach § 378 AO als fahrlässige Steuerverkürzung ordnungswidrig sein. Darüber hinaus erfüllt derjenige, der Buchführungsunterlagen vernichtet, beschädigt oder vorenthält, den Tatbestand der Urkundenunterdrückung im Sinne von § 274 StGB. Im Falle der Insolvenz ist auch die vorzeitige Vernichtung der Handelsbücher gemäß §§ 283 Abs. 1 Nr. 6, 283b Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Abschnitt 2.1 und Abschnitt 2.31 sowie die Ausführungen zu §§ 146, 147 AO im Anwendungserlaß zur Abgabenordnung 1977 vom 15. Juli 1998, BStBl 1998 I S. 630 (704, 705).1)

Auch unverschuldeter Verlust aufbewahrungspflichtiger Unterlagen nimmt der Buchführung ihre Ordnungsmäßigkeit. Liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Buchführung auch aus anderen Gründen nicht ordnungsmäßig ist, so hat dieser Umstand bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt zu bleiben – § 163 Abs. 1 AO. Hierauf beruhen auch die Ländererlasse im Zusammenhang mit Hochwasserschäden, nach denen aus dem Verlust von Unterlagen durch Hochwasserschäden steuerlich keine negativen Folgerungen gezogen werden dürfen.

1) Der insgesamt neugefaßte Wortlaut des Anwendungserlasses beruht auf dem BMF-Schreiben vom 15. Juli 1998 (BStBl I S. 630), das mit Schreiben vom 14. Februar 2000 (BStBl I S. 190), vom 27. September 2000 (BStBl I S. 1232), vom 22. Dezember 2000 (BStBl I S. 1549), vom 10. Mai 2001 (BStBl I S. 310), vom 6. August 2001 (BStBl I S. 504), vom 18. Oktober 2001 (BStBl I S. 743) sowie vom 14. Januar 2002 (IV A 4 – S0062 – 1/02) fortgeschrieben wurde. Sie können diesen Erlaß in der aktuellen Gesamtfassung vom 14. Januar 2002 hier einsehen oder auch als ZIP-Datei (669 KB) hier downloaden. Weitere Aktualisierungen dieses Erlasses folgten am 1. Juli 2002 (BStBl I S. 639), am 10. September 2002 (BStBl I S. 867) und am 10. Januar 2003 (BStBl I S. 17). In allen Fällen benötigen Sie den Acrobat Reader®, den Sie gegebenenfalls zuvor hier downloaden können, um diese Veröffentlichungen lesen und / oder ausdrucken zu können.
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