1. | Vorbemerkungen |
Die Finanzbehörden ermitteln gemäß § 88 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – den Sachverhalt, der der Besteuerung zugrunde liegt, von Amts wegen – Amtsermittlungsgrundsatz. Im Rahmen dieser Ermittlungen sind die im Einzelfall konkret betroffenen Steuerpflichtigen jedoch zur Mitwirkung verpflichtet (§ 90 Abs. 1 AO), sie müssen insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben.
Die Bestimmungen der §§ 140 bis 148 AO konkretisieren die obengenannten Mitwirkungspflichten in der Weise, daß sie dem Steuerpflichtigen solcherlei Pflichten auferlegen, deren Erfüllung ihn überhaupt erst in die Lage versetzt, diesen Mitwirkungspflichten nachzukommen. Denn nur anhand ordnungsgemäß geführter Bücher und sonstiger Aufzeichnungen kann er die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen überhaupt offenlegen und nachweisen – Dokumentations- und Beweisfunktion der Buchführung: Bücher und Aufzeichnungen sind Beweismittel, die der Steuerpflichtige anzugeben hat.
Die Finanzbehörde kann auch gemäß § 97 Abs. 1 AO die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen und anderen Urkunden zur Einsichtnahme und Prüfung verlangen. Vgl. hierzu auch § 200 Abs. 1 AO im Falle der steuerlichen Außenprüfung, § 208 Abs. 1 AO im Falle der Steuerfahndung oder § 211 Abs. 1 AO im Falle der Steuerüberwachung im Rahmen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs.
Die steuerlich relevanten Sachverhalte [Geschäftsvorfälle] ereignen sich durchweg in der Sphäre des Steuerpflichtigen, ohne daß die Finanzbehörden hiervon Kenntnis erlangen. Daher bestimmt § 158 AO, daß die Buchführung und die sonstigen Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung zugrunde zu legen sind, wenn diese den Vorschriften der §§ 140 ff. AO entsprechen und soweit im Einzelfall kein Anlaß besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Umgekehrt kommt jedoch nur einer ordnungmäßigen Buchführung tatsächliche Beweiskraft zu.
2. | Die steuerrechtliche Buchführungspflicht nach § 140 AO – Transformierte Buchführungspflicht |
2.1 | Der Kreis der Buchführungspflichtigen |
Die Frage, wer zur Buchführung für steuerliche Zwecke verpflichtet ist, beantwortet § 140 AO wie folgt: „Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.”
Im wesentlichen sind hiermit die zivilrechtlichen Buchführungspflichten des Handels-, Gesellschafts- und Genossenschaftsrechts angesprochen, die über § 140 AO in öffentlich-rechtliche Verpflichtungen transformiert und damit erzwingbar gemacht werden; vgl. §§ 328 ff. AO. Verstöße gegen die außersteuerrechtlichen Buchführungspflichten stehen somit Verstößen gegen steuerrechtliche Buchführungspflichten gleich und können daher z. B. die Androhung (§ 332 Abs.1 AO) und Festsetzung (§ 333 AO) von Zwangsmitteln, namentlich von Zwangsgeld (§ 329 AO) oder Ersatzzwangshaft (§ 334 AO), die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) oder eine Ahndung wegen Steuergefährdung (§ 379 Abs. 1 Nr. 2 AO) zur Folge haben.
Neben den außersteuerrechtlichen Buchführungspflichten im engeren Sinne, die für die jeweils betroffenen Kreise gelten, werden auf diesem Wege aber auch die in einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen geregelten Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten bestimmter Berufe zu steuerrechtlichen Pflichten; z. B. die besonderen Aufzeichnungspflichten der Apotheker nach § 22 der Apothekenbetriebsordnung oder nach § 9 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung.
Andererseits sind nicht alle außersteuerrechtlichen Aufzeichnungen zwangsläufig „für die Besteuerung von Bedeutung”, die meisten aber schon. Denn sie sind fast immer dazu geeignet, die in den für steuerliche Zwecke geführten Büchern und Aufzeichnungen ausgewiesenen Geschäftsvorfälle zu verproben: Es genügt, daß diese Aufzeichnungen „irgend etwas” enthalten, das steuerrechtlich „irgendwie” interessant ist in dem Sinne, daß sich hieraus zweckdienliche Anhaltspunkte für die Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen ergeben.
Für die Besteuerung von Bedeutung in diesem Sinne sind z. B. auch die Handelsbücher solcher Personengesellschaften, die zwar nach §§ 238 Abs. 1, 6 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – zur kaufmännischen Buchführung verpflichtet sind, die aber gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – als Einkünfte den Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln haben, weil sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG erzielen.
Da in der Praxis die Transformation der handelsrechtlichen Buchführungspflicht der Kaufleute in eine entsprechende steuerrechtliche Buchführungspflicht der Kaufleute die weitaus größte Rolle spielt, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf eben diese Gruppe.
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