2.5 | Inhalte der Buchführungspflichten – Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im Kurzüberblick |
2.51 | Allgemeines, Begriffsbestimmungen |
Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB sind alle Kaufleute (vgl. Abschnitt 2.2) verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen ihre Handelsgeschäfte nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung – GoB – aufzuzeichnen.
Die GoB stellen einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der erst einmal mit Inhalt gefüllt werden muß. Die fehlende gesetzliche Fixierung des Begriffs hat aber den entscheidenden Vorteil, daß die GoB ständig neuen Erkenntnissen und veränderten technischen und wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt werden können; sie sind also nicht starr.
Diese werden aber nicht etwa dadurch ermittelt, daß man – z. B. durch statistische Erhebungen – feststellt, wie redliche und ordentliche Kaufleute tatsächlich verfahren (Induktion), sondern sie werden durch theoretische überlegungen darüber abgeleitet, wie redliche und ordentliche Kaufleute verfahren sollten (Deduktion). Diese Ableitung orientiert sich ausschließlich an dem jeweiligen Ziel, das im Einzelfall mit Hilfe einer ordnungsmäßigen Buchführung erreicht werden soll.
Bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe kommt immer der Verkehrsauffassung eine besondere Bedeutung bei. Das ist die Auffassung der jeweils beteiligten Kreise, namentlich der Experten aus Wissenschaft (Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre), Wirtschaft, Rechtsprechung, Verwaltung sowie besonderer Fachinstitute, z. B. IdW, DIHT, IHK. Ihren Ausdruck finden diese Auffassungen in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, insbesondere in den einschlägigen Fachzeitschriften und Kommentaren, in Gutachten, Stellungnahmen, Empfehlungen und Richtlinien von Behörden und Fachverbänden der Wirtschaft, und nicht zuletzt durch Entscheidungen der Gerichtsbarkeit.
Der ordentliche und gewissenhafte Kaufmann ist also eine reine Kunstfigur, allerdings mit Maßstabscharakter, an der sich die wirklichen Kaufleute messen lassen müssen. Hierbei dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen an die Sorgfalt und die Redlichkeit der realen Kaufleute gestellt werden; guter Durchschnitt reicht hier völlig aus.
Der Begriff „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung” wird vom Gesetzgeber im doppelten Sinne verwendet, nämlich in § 238 Abs. 1 HGB für die Buchführung und in § 243 Abs. 1 HGB für den Jahresabschluß. Daher spricht man heute von den „Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung” als Oberbegriff, unter den weitere Grundsätze subsumiert werden:
Im folgenden sind mit GoB ausschließlich die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung im engeren Sinne gemeint. Die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme sind aus den GoB abgeleitete Spezialregeln, die nahezu ausschließlich diejenigen betreffen, die Programme entwickeln, mit denen (auch) Buchführungsarbeiten durchgeführt werden können, also Softwareentwickler. Soweit diese auch für den Anwender von Bedeutung sind, sind sie hier in Kurzform dargestellt. Wegen weiterer Einzelheiten verweise ich auf das Schreiben des Bundesfinanzministeriums – BMF – vom 7. November 1995, BStBl I S. 738, das Sie hier einsehen oder hier downloaden können. Um diese Dateien lesen bzw. ausdrucken zu können, benötigen Sie den Acrobat Reader®, den Sie gegebenenfalls zuvor hier downloaden können.
2.52 | Die gesetzlich normierten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung |
2.521 | Die Buchführung muß so beschaffen sein, daß sie einem Sachverständigen ermöglicht, sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens zu verschaffen – § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 145 Abs. 1 Satz 1 AO. |
Sachverständige in diesem Sinne sind insbesondere Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater sowie die Betriebsprüfer der Finanzverwaltung; Steuerrechtskenntnisse allein sind hingegen keine Sachkunde: Ein ausschließlich im Veranlagungsdienst der Finanzverwaltung tätiger Sachbearbeiter ist nicht notwendig ein Sachverständiger im hiesigen Sinne.
Welcher Zeitaufwand im Einzelfall als angemessen gilt, hängt insbesondere vom Umfang der Buchführung (Belegaufkommen), vom verwendeten Buchführungssystem und nicht zuletzt von der Sachkunde des jeweiligen Sachverständigen ab. Eine Buchführung ist jedenfalls dann klar, wenn eine vollständige Übersicht über alle Geschäftsvorfälle mit dem Maß an Mühe und Zeitaufwand gewonnen werden kann, das für derartige Arbeiten üblich ist.
Da zu einer ordnungsmäßigen Buchführung auch eine korrekte Warenbestandsaufnahme gehört, muß eine Überprüfung dieser Inventur nach deren Art und Umfang – insbesondere im Hinblick auf die Prüfung der Anzahl der Artikel auf vollständige Erfassung – ebenfalls innerhalb angemessener Zeit möglich sein. In diesem Zusammenhang reicht es aus, wenn dem Sachverständigen ein sachverständiger Angehöriger des betreffenden Gewerbezweiges als Hilfskraft zur Verfügung steht, der die fachspezifischen Angaben beibringen und / oder erläutern kann.
Mit Lage des Unternehmens ist bei allen Unternehmen die Vermögens- und Ertragslage gemeint; bei Kapitalgesellschaften umfaßt die Lage zusätzlich auch deren Finanzlage.
2.522 | Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen – § 238 Abs. 1 Satz 3 HGB, § 145 Abs. 1 Satz 2 AO. |
Dies gilt sowohl bei der Verfolgung vom Beleg zur Buchung als auch umgekehrt. Wesentlich ist daher auch die Organisation des Belegwesens. Aber bereits die Einrichtung einer Buchführung umfaßt unabdingbar auch die Festlegung eindeutiger organisatorischer Regelungen für ein schlüssig nachvollziehbares und damit beweiskräftiges System, welches sicherstellt, daß alle Geschäftsvorfälle – einschließlich der Wertänderungen der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden – belegmäßig erfaßt und die so erfaßten Vorgänge in den Büchern zutreffend aufgezeichnet werden.
Soweit Fremdbelege abhanden gekommen sind, sind diese beim Aussteller als Zweitausfertigung anzufordern; soweit externe Belege zu einem betrieblichen Vorgang nicht existieren, sind interne Belege anzufertigen. Interne Belege dokumentieren z. B. Umbuchungen, Ausbuchungen, Stornierungen, Abschlußbuchungen, etc. Das Zurückverfolgen eines Geschäftsvorfalls ist weiterhin nur dann möglich, wenn auch eine systematische Ablage der Belege erfolgt.
Insgesamt müssen alle Belege folgende formellen und materiellen Anforderungen erfüllen:
2.523 | Bei der Buchführung und den sonst erforderlichen Aufzeichnungen muß sich der Kaufmann einer lebenden Sprache bedienen – § 239 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 146 Abs. 3 Satz 1 AO. |
Hierdurch wird ein weiterer Teilaspekt des Grundsatzes der Klarheit konkretisiert. Lebende Sprachen sind solche, die gegenwärtig gesprochen werden; daher also weder Latein noch Altgriechisch. Auch Kunstsprachen (Esperanto) oder Programmiersprachen sind keine lebenden Sprachen. Andererseits ist jede lebende Sprache zulässig, eine besondere Verbreitung in dem Sinne, daß jederzeit ein Dolmetcher erreichbar sein muß, ist meines Erachtens nicht erforderlich. Dies ist jedoch zum Teil strittig.
Werden die Bücher nicht in deutscher Sprache geführt, können Gerichte und Behörden Übersetzungen verlangen; für die Finanzbehörden ist dies explizit in § 146 Abs. 3 Satz 2 AO geregelt.
Der Jahresabschluß ist im Gegensatz hierzu immer in deutscher Sprache aufzustellen – § 244 HGB.
Die Frage, in welcher Währung die Bücher zu führen sind, ist weder handels- noch steuerrechtlich besonders geregelt; zulässig sind daher alle gebräuchlichen Währungen. Zu beachten ist allerdings in diesem Zusammenhang, daß es die Deutsche Mark mit Ablauf des Jahres 2001 nicht mehr geben wird. Daher ist es ab dem Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2001 endet, auch nicht mehr zulässig, Bücher in Deutscher Mark zu führen.
Der Jahresabschluß ist immer in Euro aufzustellen – § 244 HGB. Bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres, das spätestens im Jahre 2001 endete, durfte der Jahresabschluß jedoch auch noch in Deutscher Mark aufgestellt werden; Artikel 42 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch [EGHGB].
2.524 | Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muß deren Bedeutung im Einzelfall eindeutig festliegen – § 239 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 146 Abs. 3 Satz 3 AO. |
Die verwendeten Schriftzeichen müssen verständlich sein; Verständlichkeit für jedermann ist allerdings nicht erforderlich. Abkürzungen sind zulässig, gegebenenfalls ist ein Abkürzungsverzeichnis anzulegen. Dabei können Zeichen und Abkürzungen allgemeingültiger oder betriebsindividueller Natur sein. Dasselbe gilt bei Verwendung von Ziffern, Buchstaben und anderen Symbolen. In jedem Fall dürfen sie aber nur dann verwendet werden, wenn ihre Bedeutung eindeutig und für alle Beteiligten verbindlich festgelegt ist und auf ihre Definition zurückgegriffen werden kann.
Die eindeutige Festlegung, insbesondere von Ziffern- oder anderen Codes (z. B. Strichcodes), ist gerade bei EDV–Buchführungen unverzichtbare Voraussetzung, da maschinenintern – über den jeweiligen Programmcode und im Zusammenspiel mit dem Betriebssystem – alle Eingaben in das binäres Zahlensystem übersetzt werden. Die eindeutige Festlegung des Codes ist hier notwendige Voraussetzung für die Rückübersetzbarkeit in Klartext; entsprechendes gilt für die Erfassung von Belegen mittels Scanner, insbesondere durch Scannerkassen (Strichcode / Barcode).
Bei EDV-Buchführung ersetzen bzw. ergänzen Organisationspläne, Schlüsselverzeichnisse, Tabellen, Programmbeschreibungen und -ablaufpläne (Blockdiagramme), Datenflußpläne und andere Beschreibungen, z. B. der programminternen Kontrollen, die Schriftzeichen der lebenden Sprache.
In jedem Fall muß eine lückenlose Verfolgbarkeit des Geschäftsvorfalls vom ausgedruckten (oder ausdruckbaren) Symbol oder Zeichen bis hin zum gespeicherten Ursprungsbeleg gewährleistet sein. Für die Herstellung und Prüfung dieses Zusammenhangs hat der Unternehmer alle zum Verständnis und zur Überprüfung durch einen Sachverständigen erforderlichen Unterlagen zu erstellen. Die Art des eingesetzten Buchführungssystems und die technischen Besonderheiten der jeweiligen EDV-Anlage bestimmen Inhalt, Form und Umfang dieser Unterlagen; sie sind jedoch immer Bestandteil der Buchführung!
2.525 | Buchungen und sonstigen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen – § 239 Abs. 2 HGB, § 146 Abs. 1 AO. |
Vollständigkeit der Buchungen verlangt die lückenlose Erfassung aller Geschäftsvorfälle: Sämtliche Informationen müssen ausgewertet werden; es dürfen weder Geschäftsvorfälle ausgelassen werden, noch fingierte Geschäftsvorfälle hinzugefügt werden (Stichworte: Unterdrückte Eingangsrechnungen, fingierte Ausgangsrechnungen). Eine Buchführung ist ebenfalls nicht vollständig, wenn mehrere Geschäftsvorfälle (nur) verrechnet oder saldiert dargestellt werden (Stichwort: Gegengeschäft). Im übrigen würde eine „verkürzte” Buchung gegen das Verrechnungsverbot verstoßen – § 246 Abs. 2 HGB.
Richtigkeit der Buchungen ist primär sachlich und erst sekundär formell zu verstehen. Das heißt z. B., daß
Die Verpflichtung zur zeitgerechten Erfassung bedeutet, daß die Buchung der Geschäftsvorfälle zeitnah erfolgen muß; eine bestimmte Frist ist im HGB nicht festgelegt. Mit Ausnahme des baren Zahlungsverkehrs erfordert die zeitgerechte Erfassung insbesondere keine tägliche Erfassung; es reicht also ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Geschäftsvorfällen selbst und deren Verbuchung. Zeitgerecht in diesem Sinne kann – je nach Art und Größe des Unternehmens und je nach Umfang der anfallenden Belege – monatliche, vierteljährliche und – in Ausnahmefällen – sogar jährliche Erfassung der Buchungsbelege sein.
Grundsätzlich läßt sich jedoch sagen, daß die Buchungsbelege umso früher erfaßt werden müssen, je mehr Belege insgesamt anfallen. Außerdem muß durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt sein, daß die Buchführungsunterlagen bis zu ihrer Erfassung nicht verlorengehen und als noch nicht verbuchte Belege gekennzeichnet sind; z. B. durch Ablage in besonders gekennzeichneten Ordnern. Darüber hinaus muß gewährleistet sein, daß die Möglichkeit nachträglicher Manipulation ausgeschlossen ist. In diesem Fall ist auch bei größeren Unternehmen ein Buchungsrückstand von etwa einem Monat unschädlich.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß aus der Buchführung der Jahresabschluß abgeleitet wird und dieser wiederum – soweit es sich nicht um Kapitalgesellschaften handelt – nach § 243 Abs. 3 HGB „innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit” nach Ablauf des Geschäftsjahres aufzustellen ist. Die Antwort auf die Frage, welche Frist als angemessen im Sinne von § 243 Abs. 3 HGB anzusehen ist, hängt – wie so oft – von den Umständen des Einzelfalles ab. Als Richtschnur kann jedoch gelten, daß der Jahresabschluß binnen Jahresfrist nach dem Bilanzstichtag aufgestellt sein muß. So hat z. B. der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 6. Dezember 1983, BStBl II 1984 S. 227 (230) entschieden, daß eine Gewinnermittlung aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nicht vorliegt, wenn der Steuerpflichtige die Bilanz nicht innerhalb eines Jahres nach dem Bilanzstichtag aufstellt. Die verspätete Aufstellung der Bilanz wirkt somit zurück auf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.
Doch selbst diese Jahresfrist darf nicht in jedem Fall ausgenutzt werden; sie steht nicht zur Disposition des Buchführungspflichtigen. Ist dieser nämlich in der Lage, die Bilanz innerhalb einer kürzeren Frist aufzustellen, so gilt diese kürzere Frist als angemessen; so entschieden vom Bayerischen Obersten Landesgericht, Der Betrieb 1987, 978.
Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen hingegen nach § 146 Abs. 1 Satz 2 AO täglich erfaßt werden. Damit geht diese Vorschrift zwar über die Anforderungen nach § 239 Abs. 2 HGB hinaus, aber es ist einhellige Übung der Praxis, gerade in diesem sensiblen Bereich der Abwicklung von Vorgängen mit Bargeldberührung ein entsprechend dichtes Kontrollgefüge einzurichten. Wesentliche Mängel in der Kassenführung – mit der Folge, daß die betreffende Buchführung insgesamt nicht ordnungsgemäß ist – liegen daher schon dann vor, wenn die Aufzeichnung der Kasseneinnahmen erst nach vierzehn Tagen erfolgt oder sogar nur einmal im Monat. Entsprechendes gilt für die nicht zeitgerechte Buchung von Kasseneinlagen oder Kassenentnahmen mit nur geschätzten Beträgen und ohne Belege.
In Krisensituationen, insbesondere beim Vorliegen von Insolvenz (Überschuldung, drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit), bekommt die Verpflichtung zur zeitgerechten Erfassung der Geschäftsvorfälle ein ganz besonderes Gewicht. Denn nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches – StGB – wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, wer Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt, daß die Übersicht über sein Vermögen erschwert wird. Mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren wird nach § 283b Abs. 1 Nr. 1 StGB ebenfalls bestraft, wer diese (Unterlassungs-) Handlungen zwar nicht während der Krise begangen hat, diese aber zum Entstehen der Krise geführt haben.
In der Praxis wird bei strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Verdachts einer Insolvenzstraftat vor allem geprüft, ob die Buchführung rechtzeitig erstellt wurde. Maßgebend hierfür sind nicht etwa steuerrechtliche Fristen – denn diese betreffen allein die Frist zur Einreichung von Steuererklärungen, nicht aber die Fristen zur Aufstellung von Jahresabschlüssen oder zur Anfertigung der Buchführung –, sondern die handelsrechtlichen Fristen nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB für große und mittelgroße Kapitalge-sellschaften (drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres), nach § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB für kleine Kapitalgesellschaften (sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres) und nach § 243 Abs. 3 HGB für alle übrigen Kaufleute („innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgangs entsprechenden Zeit”).
Von dem Verdacht einer Insolvenzstraftat kann auch der Steuerberater des Kaufmanns betroffen sein, und zwar sowohl durch aktives Tun als auch durch Unterlassen (§ 13 StGB); entweder selbst als Täter (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB), wenn er – was regelmäßig der Fall ist – mit der eigenverantwortlichen Erstellung der Buchführung beauftragt wurde, oder ggf. auch wegen Beihilfe im Sinne von § 27 Abs. 1 StGB. Der Steuerberater ist auch für das Handeln seiner Erfüllungsgehilfen verantwortlich (§§ 664 Abs. 1, 278 BGB); es sei denn, er kann sich exkulpieren, z. B. durch den Nachweis besonders sorgfältiger Auswahl und laufende Überwachung seiner Erfüllungsgehilfen.
Die Erfassung der Geschäftsvorfälle – und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen – haben geordnet zu erfolgen. Geordnet in diesem Sinne ist jede sinnvolle Ordnung, die einen Sachverständigen dazu in die Lage versetzt, sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens zu verschaffen. Diese Forderung ist immer dann erfüllt, wenn sämtliche Geschäftsvorfälle sachgerecht kontiert werden und deren Erfassung in einem sinnvoll und planmäßig gegliederten Kontensystem sichergestellt ist; ggf. sollten Kontierungsrichtlinien vom Unternehmen aufgestellt werden, um die Einheitlichkeit der Ordnung zu sichern.
2.526 | Buchungen und sonstige Aufzeichnungen dürfen nicht in einer Weise verändert werden, daß der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist – § 239 Abs. 3 Satz 1 HGB, § 146 Abs. 4 Satz 1 AO; Veränderungen müssen als solche erkennbar sein – § 239 Abs. 3 Satz 2 HGB, § 146 Abs. 4 Satz 2 AO. |
Bei herkömmlichen Buchführungssystemen bedeutet dies, daß das Geschriebene nicht spurlos beseitigt oder geändert werden kann und bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist lesbar bleibt. Eintragungen oder Aufzeichnungen sind mit unauslöschlichem Schreibmaterial vorzunehmen; die Verwendung von Bleistiften ist unzulässig. Ebenso wenig dürfen unausgefüllte Zwischenräume gelassen werden. Zum Erfordernis der Unveränderbarkeit gehört auch, daß Sachkonten durch doppeltes Unterstreichen abgeschlossen werden.
Eintragungen und Aufzeichnungen dürfen nicht unlesbar gemacht werden (können), z. B. durch Überschreiben, Durchschreiben, Überkleben, Auslöschen, Radieren, Rasuren, etc. Unzulässig sind auch solche Veränderungen, bei denen anschließend ungewiß ist, ob es sich bei der jeweiligen Eintragung um die ursprüngliche oder eine nachträgliche handelt.
Bei EDV-Buchführungssystemen dürfen Eintragungen und Aufzeichnungen ebenfalls nicht unlesbar gemacht werden (können), z. B. durch Überschreiben oder Löschen von einzelnen Datenfeldern oder ganzen Datensätzen. Auch die EDV-Buchführung muß so beschaffen sein, daß Veränderungen von Aufzeichnungen und Eintragungen – soweit sie denn überhaupt zulässig sind – stets auch eindeutig als solche dokumentiert werden.
Dies bedeutet konkret:
Grundsätzlich sollte ausschließlich solche Buchführungssoftware verwendet werden – insbesondere und gerade auch dann, wenn sie im Unternehmen selbst entwickelt wurde –, die auf Einhaltung der GoB hin geprüft und der ein entsprechendes Testat durch einen Wirtschaftsprüfer bzw. eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erteilt wurde, denn die Verantwortung für die Einhaltung der GoB trägt immer der Kaufmann selbst.
Unabhängig vom Buchführungssystem dürfen Buchungen allein durch entsprechende Korrekturbuchungen berichtigt werden, d. h. durch Anfertigung eines internen Buchungsbelegs und Wiederholung derselben Buchung mit negativem Vorzeichen (Stornobuchung oder sog. „Generalumkehr”) und anschließender Durchführung der korrekten Buchung.
Aufzeichnungen, die geändert werden sollen, sind – mit Namen und Datum versehen – als ungültig zu kennzeichnen und erneut vorzunehmen. Die korrigierte und die ursprüngliche Fassung der entsprechenden Aufzeichnung sind gemeinsam (am gleichen Ablageort) aufzubewahren. Zuwiderhandlungen erfüllen möglicherweise den Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB; selbst der Versuch ist strafbar und wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
2.527 | Offene-Posten-Buchführung sowie EDV-Buchführung sind als besondere Buchführungsformen handels- und steuerrechtlich ausdrücklich zugelassen, wenn sie selbst und die dabei angewandten Verfahren den GoB entsprechen – § 239 Abs. 4 Satz 1 HGB, § 146 Abs. 5 Satz 1 AO. |
Weder das Handels- noch das Steuerrecht schreiben eine bestimmte Form der Bücher und Aufzeichnungen vor; sie müssen allerdings den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Insbesondere können Handelsbücher und sonst erforderliche Aufzeichnungen auch in der geordneten (und vollständigen) Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden. Hierdurch ist die gesetzliche Grundlage für die Offene-Posten-Buchführung und für die Speicherbuchführung gelegt; wegen der steuerrechtlichen Ordnungsvorschriften vgl. Abschnitt 4.2.
Solcherlei geordnet und vollständig abgelegte Belege haben Grundbuchfunktion. Von Rechnungen sind Zweitausfertigungen zu erstellen und so abzulegen, daß jederzeit Forderungen und Schulden gegenüber den einzelnen Geschäftsfreunden festgestellt werden können. Hierzu können unterschiedliche Ordnungsprinzipien herangezogen werden; der Ausgleich des Rechnungsbetrages ist auf den Zweitausfertigungen zu vermerken.
Von der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. [AWV] wurden bereits im Jahre 1978 Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung [GoS] entwickelt, deren Anwendung die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei der Speicherbuchführung gewährleisten sollten; vgl. BMF-Schr. v. 5. Juli 1978, BStBl I S. 250 ff.
Die Weiterentwicklung der Technik und Anwendung der Datenverarbeitung im Bereich des kaufmännischen Rechnungswesens, insbesondere die Vernetzung der verschiedensten Unternehmensbereiche (Kostenrechnung, Materialwirtschaft, Lagerhaltung, Bestellwesen, Auftragsabwicklung, Personalwesen, etc.) hat jedoch zwischenzeitlich dazu geführt, daß die Unternehmensfunktion „Buchhaltung” nicht mehr ohne weiteres eindeutig abgegrenzt werden kann – integrierte EDV-Systeme.
Daher hat sich allgemein die Auffassung durchgesetzt, daß die GoS grundsätzlich für alle rechnungslegungsrelevanten Bereiche der EDV gelten müssen, also auch für Systeme und Anwendungen außerhalb des eigentlichen Buchhaltungsbereichs, soweit sie buchführungsrelevante Daten erzeugen, erfassen, verarbeiten oder auch nur übermitteln. Die GoS wurden daher als „Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme” – GoBS – neu gefaßt; vgl. BMF-Schr. v. 7. November 1995, BStBl I S. 738 ff., das Sie hier einsehen oder hier downloaden können. Um diese Dateien lesen bzw. ausdrucken zu können, benötigen Sie den Acrobat Reader®, den Sie gegebenenfalls zuvor hier downloaden können.
2.528 | Bei EDV-gestützten Buchführungssystemen und bei Speicherung der sonstigen Aufzeichnungen auf Datenträgern (Festplatte, CD-ROM, Magnetband, Diskette, etc.) muß insbesondere sichergestellt sein, daß diese Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können – § 239 Abs. 4 Satz 2 HGB. |
Verfügbar heißt im einfachsten Fall, daß die Daten – ggf. nach Durchführung eines besonderen Arbeitslaufs (z. B. zum Entpacken gepackter Archivdateien) – auf einem Bildschirm sichtbar (lesbar) gemacht werden können; im Einzelfall kann jedoch auch ein partieller oder vollständiger Ausdruck erforderlich sein. Wegen der steuerrechtlichen Ordnungsvorschriften, insbesondere wegen der steuerrechtlichen Neuregelungen ab 1. Januar 2002, vgl. Abschnitt 4.25.
Zu den allgemeinen Ordnungsmäßigkeitsanforderungen bei der Verwendung von EDV zur Erstellung von Buchführungen vgl. Abschnitt 2.53.
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