DIPL.-KFM. WERNER MUNDORF · STEUERBERATER · DEMMIN


Steuerrechtliche Buchführungspflichten nach §§ 140, 141 AO
—  Gemeinsame Vorschriften  —

4. Steuerrechtliche Vorschriften für alle Buchführungspflichtigen
4.1 Allgemeine Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen – § 145 AO

Nach § 145 Abs. 1 AO muß eine Buchführung (allgemein) so beschaffen sein, daß sie einem Sachverständigen innerhalb angemessener Zeit einen überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Außerdem müssen sich die Geschäftsvorfälle sowohl in ihrer Entstehung als auch in ihrer Abwicklung verfolgen lassen. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Abschnitt 2.521.

Wegen weiterer Einzelheiten zur Beweis- und Dokumentationsfunktion von Buchführung und Aufzeichnungen vgl. Abschnitt 1.

Bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorgenommen werden, weil § 238 Abs. 1 HGB weder unmittelbar (§ 140 AO) noch sinngemäß (§ 141 AO) anzuwenden ist, müssen diese Aufzeichnungen so beschaffen sein, daß der jeweilige, besondere Zweck erreicht wird, den diese Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen – §§ 145 Abs. 2, 146 Abs. 5 Satz 1 (2. Halbsatz) AO. Dazu muß im Einzelfall der Besteuerungszweck jeweils konkret bestimmt werden. So erfordert z. B. der besondere Zweck der Aufzeichnungspflicht nach § 4 Abs. 7 EStG – insbesondere z. B. für Bewirtungsaufwendungen – zusätzlich zur geordneten Belegablage eine periodische und zeitnahe gesonderte Aufzeichnung mittels Verbuchung auf einem besonderen Sachkonto oder Ausweis in einer gesonderten Spalte der Ausgabenaufzeichnung; die erstmalige, summenmäßige Erfassung nach Ablauf des Geschäftsjahres reicht nicht aus. Wegen weiterer Einzelheiten hierzu vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs, BStBl II 1988, S. 535, 611 und 613.

4.2 Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen – § 146 AO

§ 146 Abs. 1 bis 5 AO konkretisieren die allgemeinen Anforderungen an eine Buchführung nach § 145 AO. Sie gelten nicht nur für alle, die nach §§ 140 bis 145 AO zur Buchführung oder zu bestimmten Aufzeichnungen verpflichtet sind, sondern auch für diejenigen, die freiwillig solche Bücher und Aufzeichnungen führen, ohne hierzu verpflichtet zu sein – § 146 Abs. 6 AO. Da es sich (nur) um Ordnungsvorschriften handelt, kann die Befolgung dieser Vorschriften von den Finanzbehörden allerdings weder angeordnet noch erzwungen werden. Die Vor- und Nachteile ordnungsmäßig geführter Bücher und Aufzeichnungen liegen auf dem Gebiet der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO) und der Gewinnermittlung: Nur die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den §§ 140 bis 146 AO entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen – § 158 AO.

4.21 § 146 Abs. 1 AO

Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. auch Abschnitt 2.525.

4.22 § 146 Abs. 2 AO

Bücher und Aufzeichnungen sind in der Bundesrepublik Deutschland aufzubewahren; eine entsprechende handelrechtliche Vorschrift existiert nicht. Damit soll sichergestellt werden, daß Bücher und Aufzeichnungen für die Finanzbehörden jederzeit erreichbar sind. Das schließt allerdings nicht aus, daß die Datenverarbeitung für die im Inland geführten Bücher im Ausland erfolgt.

Auch die Bücher und Aufzeichnungen von im Ausland befindlichen Betriebsstätten müssen grundsätzlich im Inland geführt und aufbewahrt werden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn nicht das jeweilige ausländische Recht deren Führung im Ausland verlangt (Stichwort: Vermeidung einer Pflichtenkollision). Ist der Betrieb nach ausländischem Recht nur zur Führung, nicht aber zur Aufbewahrung von Büchern und Aufzeichnungen im Ausland verpflichtet, braucht er diese dennoch nicht im Inland aufzubewahren. Dieser Regelung liegt offenbar die zutreffende Erkenntnis des Gesetzgebers zugrunde, daß Bücher und Aufzeichnungen zweckmäßigerweise dort aufbewahrt werden, wo die laufende Buchführung erfolgt.

Eine davon zu unterscheidende Frage betrifft die Vorlagepflicht von im Ausland geführten Büchern und Aufzeichnungen. Grundsätzlich besteht eine solche Vorlagepflicht immer nur dann nicht, wenn das ausländische Recht eine Vorlage in Deutschland ausdrücklich verbietet. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. § 97 AO.

Organgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland sind weder nach Handels- noch nach Steuerrecht im Inland buchführungs- oder aufzeichnungspflichtig. Die Ergebnisse ausländischer Organgesellschaften werden vielmehr entsprechend den Regelungen für ausländische Betriebsstätten übernommen. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. § 146 Abs. 2 Sätze 3 und 4 AO.

4.23 § 146 Abs. 3 AO

Buchungen und sonstige Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen; damit konkretisiert § 146 Abs. 3 AO einen Teilaspekt des Grundsatzes der Klarheit. Lebende Sprachen sind solche, die gegenwärtig gesprochen werden, daher also weder Latein noch Altgriechisch. Auch Kunstsprachen (Esperanto) oder Programmiersprachen sind keine lebenden Sprachen. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Abschnitt 2.523.

4.24 § 146 Abs. 4 AO

Buchungen oder Aufzeichnungen dürfen nicht dergestalt verändert werden (können), daß der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Ebenso wenig dürfen Veränderungen in einer Weise vorgenommen werden, die es ungewiß werden läßt, ob die jeweilige Eintragung die ursprüngliche oder eine korrigierte Fassung ist. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. auch Abschnitt 2.526.

4.25 § 146 Abs. 5 AO

Bücher und sonst erforderliche Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen und die dabei angewandten Verfahren den Grundsätzen ordnungmäßiger Buchführung entsprechen – § 146 Abs. 5 Satz 1 AO. Im übrigen gilt folgendes:

bis 31. Dezember 2001:
Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muß insbesondere sichergestellt sein, daß die Daten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können; vgl. hierzu auch Abschnitt 2.528.

ab 1. Januar 2002:
Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Unterlagen auf Datenträgern muß insbesondere sichergestellt sein, daß während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können.

Hierzu führt das Bundesfinanzministerium in seinem Schreiben vom 16. Juli 2001, IV D 2 – S 0316 – 136 / 01, unter dem Titel „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)” aus:

Allgemeine Feststellungen

„Nach § 147 Abs. 6 AO ist der Finanzbehörde das Recht eingeräumt, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellte Buchführung des Steuerpflichtigen durch Datenzugriff zu prüfen. Diese neue Prüfungsmethode tritt neben die Möglichkeit der herkömmlichen Prüfung. Das Recht auf Datenzugriff steht der Finanzbehörde nur im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen zu. Durch die Regelungen zum Datenzugriff wird der sachliche Umfang der Außenprüfung (§ 194 AO) nicht erweitert; er wird durch die Prüfungsanordnung (§ 196 AO, § 5 BpO) bestimmt. Gegenstand der Prüfung sind wie bisher nur die nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen. Es ist jedoch erforderlich, die Prüfungsmethoden den modernen Buchführungstechniken anzupassen. Dies gilt um so mehr, als in zunehmendem Maße der Geschäftsverkehr papierlos abgewickelt wird und ab dem 1. Januar 2002 der Vorsteuerabzug aus elektronischen Abrechnungen mit qualifizierter elektronischer Signatur und Anbieter-Akkreditierung nach dem Signaturgesetz möglich ist. Die Einführung dieser neuen Prüfungsmethoden ermöglicht der Finanzverwaltung zugleich rationellere und zeitnähere Außenprüfungen.”

Zum Umfang und der Art der Ausübung des Rechts auf Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO

Das Recht auf Datenzugriff beschränkt sich allerdings ausschließlich auf solche Daten, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, sogenannte steuerlich relevante Daten. Danach sind auf jeden Fall die Daten der Finanzbuchführung, der Anlagenbuchführung und der Lohnbuchführung für den Datenzugriff zur Verfügung zu halten. Soweit sich auch in anderen Bereichen des Datenverarbeitungssystems steuerlich relevante Daten befinden, sind sie durch das Unternehmen nach Maßgabe seiner steuerlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu qualifizieren und für den Datenzugriff in geeigneter Weise vorzuhalten.

Bei objektiv unzutreffender Qualifizierung von Daten durch das Unternehmen wird die Finanzbehörde in der Regel und im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens verlangen, daß das Unternehmen den Datenzugriff auf diese steuerlich relevanten Daten nachträglich ermöglicht. Das allgemeine Auskunftsrecht des Prüfers (§§ 88, 199 Abs.1 AO) und die Mitwirkungspflichten des Unternehmens (§§ 90, 200 AO) bleiben hiervon unberührt.

Bei der Ausübung des Rechts auf Datenzugriff stehen der Finanzbehörde nach dem Gesetz drei Möglichkeiten zur Verfügung. Die Entscheidung, von welcher Möglichkeit des Datenzugriffs die Finanzbehörde Gebrauch macht, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen; falls erforderlich, kann sie auch mehrere Möglichkeiten in Anspruch nehmen:

Sie kann selbst unmittelbar auf das Datenverarbeitungssystem dergestalt zuzugreifen, daß sie in Form des Nur-Lesezugriffs Einsicht in die gespeicherten Daten nimmt und die vom Unternehmen oder von einem beauftragten Dritten eingesetzte Hard- und Software zur Prüfung der gespeicherten Daten nutzt   —   unmittelbarer Datenzugriff.

Dabei darf sie nur mit Hilfe dieser Hard- und Software auf die elektronisch gespeicherten Daten zugreifen. Dies schließt eine Fernabfrage (Online-Zugriff) auf das Datenverarbeitungssystem des Unternehmens durch die Finanzbehörde aus. Der Nur-Lesezugriff umfaßt das Lesen, Filtern und Sortieren der Daten, gegebenenfalls unter Nutzung der im Datenverarbeitungssystem vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten.

Sie kann auch verlangen, daß die Daten nach ihren Vorgaben vom Unternehmen selbst oder von einem beauftragten Dritten maschinell ausgewertet vorgelegt werden, um den Nur-Lesezugriff durchführen zu können   —   mittelbarer Datenzugriff.

Es kann nur eine maschinelle Auswertung unter Verwendung der im Datenverarbeitungssystem des Steuerpflichtigen oder des beauftragten Dritten vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten verlangt werden.

Sie kann letztlich auch verlangen, daß ihr die gespeicherten Unterlagen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Auswertung überlassen werden   —   Datenträgerüberlassung.

Der zur Auswertung überlassene Datenträger ist spätestens nach Bestandskraft der aufgrund der Außenprüfung ergangenen Bescheide an den Steuerpflichtigen zurückzugeben oder zu löschen.

Zum Umfang der Mitwirkungspflicht nach §§ 147 Abs. 6 und 200 Abs. 1 Satz 2 AO

Der Steuerpflichtige hat die Finanzbehörde bei Ausübung ihres Rechts auf Datenzugriff zu unterstützen (§ 200 Abs. 1 AO). Im einzelnen soll folgendes gelten:

Beim unmittelbaren Datenzugriff muß das zu prüfende Unternehmen dem Prüfer die für den Datenzugriff erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung stellen und ihn für den Nur-Lesezugriff in das Datenverarbeitungssystem einweisen. Hierbei muß die Zugangsberechtigung so ausgestaltet sein, daß dem Prüfer der Zugriff auf alle steuerlich relevanten Daten – einschließlich der im System vorhandenen Auswertungsprogramme – eingeräumt wird.

Enthalten elektronisch gespeicherte Datenbestände andere, z.B. steuerlich nicht relevante personenbezogene oder dem Berufsgeheimnis (§ 102 AO) unterliegende Daten, so obliegt es dem Unternehmen oder dem von ihm beauftragten Dritten, durch geeignete Zugriffsbeschränkungen sicherzustellen, daß der Prüfer nur auf steuerlich relevante Daten des Unternehmens zugreifen kann.

Das Datenverarbeitungssystem muß die Unveränderbarkeit des Datenbestandes gewährleisten (§ 146 Abs. 4 AO; Abschnitt V des BMF-Schreibens zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS), IV A 8 – S 0316 – 52 / 95, vom 7. November 1995, BStBl I S. 738): Eine Veränderung des Datenbestandes und des Datenverarbeitungs-systems durch die Finanzbehörde muß ausgeschlossen sein.

Beim mittelbaren Datenzugriff gehört zur Mithilfe des Steuerpflichtigen beim Nur-Lesezugriff neben der Zurverfügungstellung von Hard- und Software die Unterstützung durch mit dem Datenverarbeitungssystem vertraute Personen. Der Umfang der zumutbaren Mithilfe richtet sich nach den betrieblichen Begebenheiten des Unternehmens; Anhaltspunkte hierfür können die Größe oder die Mitarbeiterzahl des Unternehmens sein.

Bei der Datenträgerüberlassung sind der Finanzbehörde mit den gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen alle zur Auswertung der Daten notwendigen Informationen, z. B. über die Dateistruktur, die Datenfelder sowie interne oder externe Verknüpfungen, in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich die Daten bei Dritten befinden.

Das vollständige Schreiben, das auch Ausführungen zur elektronischen Abrechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 2 UStG) sowie zur digitalen Signatur enthält, können Sie hier einsehen oder hier downloaden. Ebenso können Sie hier den Entwurf des Schreibens in der Fassung vom 6. Oktober 2000 hier einsehen bzw. hier downloaden; in beiden Fällen benötigen Sie den Acrobat Reader®, den Sie gegebenenfalls zuvor hier downloaden können.

Wegen weiterer Einzelheiten vgl. auch Abschnitt 2.527.

4.3 Wesentliche Mängel der Buchführung

Wesentliche Mängel der Buchführung berühren das Wesen der Buchführung und führen zu ihrer Verwerfung. Dabei wird nicht zwischen formellen und materiellen Mängeln unterschieden. Die Buchführung wird auch dann verworfen, wenn die Mängel nach Einreichung der Bilanz von den Finanzbehörden beseitigt werden und das berichtigte Buchführungsergebnis der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt wird. Die Berichtigung der Buchführung durch einen Steuerberater, Wirtschaftprüfer oder eine ähnliche Person vor Einreichung der Bilanz läßt die Buchführung jedoch nicht mangelhaft werden.

Kann andererseits nach dem Gesamtbild aller Umstände davon ausgegangen werden, daß die nicht ordnungsgemäß verbuchten Geschäftsvorfälle nur einen belanglosen Teil der betrieblichen Einnahmen ausmachen, so genügt eine „unschädlich ergänzende Schätzung”. In diesem Fall wird hinzugeschätzt, ohne die Buchführung zu verwerfen. Entscheidend ist also das sachliche Gewicht der Buchführungsmängel im Rahmen des gesamten Buchführungswerks.

Dies kann daher bei entsprechender Struktur des Betriebes (vornehmlich Bargeschäfte) dazu führen, daß eine nichtordnungsmäßige Kassenführung allein für sich schon die gesamte Buchführung infiziert. Wegen weiterer Einzelheiten hierzu vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. September 1989, BStBl II 1990 S. 109 (110).

Einige beispielhafte Einzelfälle wesentlicher Mängel aus der Rechtsprechung:

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