Die gesonderte und geordnete Ablage von Bewirtungsbelegen genügt nur dann der Vorschrift des § 4 Abs. 6 EStG (§ 4 Abs. 7 EStG n. F.), wenn zusätzlich die Summe der Aufwendungen periodisch und zeitnah auf einem besonderen Konto oder vergleichbaren anderen Aufzeichnungen eingetragen wird.
Urteil vom 26. Februar 1988 III R 20/85
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Vorinstanz: FG Berlin
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Fundstellen: BFHE 152, 509; BStBl II 1988, 613
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I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist selbständiger Vertreter mit Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die von ihm als Betriebsausgaben geltend gemachten Bewirtungsaufwendungen ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA –) bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1980 mit folgender Begründung nicht zum Abzug zu: Der Kläger habe die Aufwendungen nicht einzeln und getrennt von den übrigen Betriebsausgaben aufgezeichnet, sondern lediglich in einem Fach eines Ordners die Bewirtungsbelege und die vollständig ausgefüllten amtlichen Vordrucke der zeitlichen Reihenfolge nach aufbewahrt. Damit sei aber den Aufzeichnungspflichten des § 4 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes – EStG – (nunmehr § 4 Abs. 7 EStG) nicht genügt worden.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage hatte der Kläger Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Der Kläger habe zwar das Erfordernis der einzelnen und von den übrigen Betriebsausgaben getrennten Aufzeichnung nicht erfüllt. Gemäß der Vorschrift des § 146 Abs. 5 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) könnten aber unter bestimmten Voraussetzungen Aufzeichnungen auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen. Im Streitfall seien diese Voraussetzungen erfüllt, weil die Prüfung der Bewirtungskosten allein anhand der gesondert abgelegten Belege – insbesondere wegen deren geringer Zahl – ohne weiteren Verwaltungsaufwand durchführbar sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Abs. 6 EStG. Es macht insbesondere geltend, daß nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Aufzeichnungspflicht ausnahmslos bestehe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Nach § 4 Abs. 6 EStG (nunmehr § 4 Abs. 7 EStG) sind u. a. sog. Bewirtungsaufwendungen i. S. des § 4 Abs. 5 Ziff. 2 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen. Bei einem Verstoß gegen die Aufzeichnungspflicht ist der Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben zu versagen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 EStG). Die besonderen Aufzeichnungspflichten i. S. des § 4 Abs. 6 EStG gelten auch für Steuerpflichtige, die – wie der Kläger – ihren Gewinn durch Überschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermitteln (so schon Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 28. Mai 1968 IV R 28/68, BFHE 92, 491, BStBl II 1968, 651).
Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger entsprechende Aufzeichnungen nicht geführt. Entgegen der Auffassung des FG konnten die in § 4 Abs. 6 EStG vorgeschriebenen Aufzeichnungen auch nicht allein nach § 146 Abs. 5 AO 1977 durch die geordnete Ablage von Belegen ersetzt werden.
2. Nach dieser Vorschrift können zwar Aufzeichnungen, die – wie im Streitfall – ausschließlich nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, in der geordneten Ablage von Belegen bestehen. Voraussetzung ist jedoch, daß der Zweck, den die betreffenden Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen, dies zuläßt. Den insoweit maßgeblichen Zweck des § 4 Abs. 6 EStG hat der BFH mehrfach bestimmt; dementsprechend hat er auch die Aufzeichnungspflicht inhaltlich festgelegt (s. insbesondere die Urteile vom 28. Mai 1968 IV R 150/67, BFHE 92, 487, BStBl II 1968, 648, und in BFHE 92, 491, BStBl II 1968, 651, sowie vom 6. Februar 1969 IV 192/68, nicht veröffentlicht, erwähnt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 4 EStG Anm. 51j, S.E 243).
a) Danach verfolgt § 4 Abs. 6 EStG einmal den Zweck, die Prüfung der Abziehbarkeit der Bewirtungsaufwendungen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 4 Abs. 4 EStG oder nach den einschränkenden Anordnungen in § 4 Abs. 5 Ziff. 2 EStG besonders leicht und sicher zu gestalten (BFH-Urteil vom 20. April 1972 IV R 137/68, BFHE 106, 50, BStBl II 1972, 694). Dem entspricht das Verlangen einer von den sonstigen Betriebsausgaben getrennten Aufzeichnung.
Davon geht im Grundsatz auch das FG aus; doch möchte es im Streitfall eine Ausnahme zulassen, weil der Kläger die einzelnen Belege geordnet gesammelt hat und weil wegen ihrer geringen Anzahl eine Prüfung ohne weiteren Verwaltungsaufwand möglich sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
b) Das FG übersieht bei seiner Auslegung des § 146 Abs. 5 AO 1977, daß § 4 Abs. 6 EStG auch laufende Aufzeichnungen verlangt (s. hierzu zuletzt das Urteil des Senats vom 22. Januar 1988 III R 171/82, BFHE 152, 341). Dadurch sollen vor allem Manipulationsmöglichkeiten beim sog. Spesenabzug eingeschränkt werden. Der Steuerpflichtige soll in diesem Bereich, der seine private Lebensführung wie auch die anderer Personen berührt (s. hierzu das Urteil in BFHE 92, 487, BStBl II 1968, 648, 3. Absatz der Entscheidungsgründe), gezwungen sein, alsbald und eindeutig eine Zuordnung der Aufwendungen zum betrieblichen (oder zum Privat-)Bereich vorzunehmen. Mit der bloßen Belegablage ist diesen Anforderungen nicht genügt, weil sich Belege ohne weiteres auch nachträglich entfernen oder einfügen lassen.
c) Im Hinblick auf diese – für die Zulässigkeit der (bloßen) geordneten Ablage von Belegen nach § 146 Abs. 5 AO 1977 maßgeblichen – Zwecke der Aufzeichnungspflicht kann somit auf die Aufzeichnungserfordernisse des § 4 Abs. 6 EStG nicht völlig verzichtet werden.
3. Nach der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH bestehen allerdings keine Bedenken, geordnete Belege in Verbindung mit periodischen zeitnahen Eintragungen der Summen in die hierfür vorgesehenen besonderen Konten als der Vorschrift des § 4 Abs. 6 EStG entsprechende Aufzeichnungen anzuerkennen (s. insbesondere das Urteil IV 192/68, a.a.O.). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Sollte der Kläger mit seinem Hinweis im Revisionsverfahren auf die „periodengerechte Summenziehung” die Durchführung eines solchen Verfahrens bezeichnen wollen, könnte dieser Vortrag jedoch als neues tatsächliches Vorbringen nicht (mehr) berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Denn der Kläger hat gegen die Feststellungen des FG keine – ihm als sog. Gegenrüge mögliche (BFH-Urteil vom 19. März 1970 IV R 72/79, BFHE 99, 21, BStBl II 1970, 497) – Verfahrensrügen erhoben.
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