BUNDESFINANZHOF
1.
Die für die Annahme einer Organschaft erforderliche finanzielle
Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines
Organträgers setzt voraus, dass der Organträger über die Mehrheit
der Stimmrechte aus Anteilen an der juristischen Person als Organgesellschaft
verfügt. Sie muss über 50 v.H. der gesamten Stimmrechte
betragen.
2. Die
finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines
Organträgers ist nicht gegeben, wenn dieser die notwendige qualifizierte
Stimmenmehrheit in der juristischen Person nur mit Hilfe eines
Minderheitsgesellschafters erreichen kann.
UStG 1993 § 2
Abs. 2 Nr. 2
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Urteil vom 22. November 2001
V R 50/00
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Vorinstanz: Hessisches FG (EFG
2000, 823)
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Gründe
I.
Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) als Organträgerin mit der P-Anlagen
GmbH (PTA) und der P-Stahlrohr GmbH (PS) als Organgesellschaften in einem
Unternehmen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) 1993 verbunden war.
An
der Klägerin, der P-Vermögensverwaltung (KG), waren im Streitjahr 1996
E mit 80 v.H. (= 1 600 000 DM) und K mit 20 v.H.
(= 400 000 DM) der Kapitalanteile beteiligt. Beschlüsse
wurden für die Klägerin mit einfacher Stimmenmehrheit --in
Ausnahmefällen mit 75 v.H. der Stimmen-- gefasst. Je
1 000 DM Kommanditanteil ergab eine
Stimme.
Die Kapitalanteile der
PTA und der PS hielten im Streitjahr zu 60 v.H.
(= 300 000 DM) die Klägerin und zu je 20 v.H.
(= je 100 000 DM) der Minderheitsgesellschafter der Klägerin
K und ein Dritter. Nach den inhaltsgleichen Gesellschaftsverträgen wurden
Beschlüsse für die PTA und die PS grundsätzlich mit 65 v.H.
der Stimmen, in Ausnahmefällen mit 75 v.H. der Stimmen, gefasst. Dabei
zählten 1 000 DM übernommene Stammeinlage eine
Stimme.
Die Klägerin
verpachtete ihr bewegliches und unbewegliches Anlagevermögen an die PTA und
die PS. Im Januar 1996 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen
der PTA eröffnet.
Abweichend von der
Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 1996 setzte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) in einem
Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Januar 1996 die Umsatzsteuer gegen
die Klägerin unter Berücksichtigung eines
Vorsteuerberichtigungsanspruchs (wegen der für Leistungen an die PTA
beanspruchten Vorsteuerbeträge) fest. Das FA wies den dagegen eingelegten
Einspruch zurück und vertrat weiterhin die Auffassung, die Klägerin
sei mit der PTA und der PS organschaftlich
verbunden.
Die Klägerin
widersprach dieser Auffassung in der dagegen erhobenen Klage. Sie machte
geltend, die für die Organschaft notwendige finanzielle Eingliederung sei
nicht gegeben, weil sie nur zu 60 v.H. an der PTA und der PS beteiligt sei
und weil Beschlüsse in diesen Gesellschaften nur mit 65 v.H. der
Stimmen gefasst werden könnten. Während des Verfahrens vor dem
Finanzgericht (FG) gab das FA einen Änderungsbescheid für Umsatzsteuer
1996 vom 16. November 1998 bekannt, der zum Gegenstand des Verfahrens
geworden ist. Darin ging das FA weiter von dem Bestehen einer Organschaft
zwischen der Klägerin und der PTA und der PS
aus.
Das FG gab der Klage statt
und ermäßigte die Steuerfestsetzung auf den --zwischen den
Beteiligten unstreitigen-- (negativen) Steuerbetrag, der sich ohne die
organschaftliche Verbindung ergibt. Zur Begründung legte das FG dar, die
für die Organschaft notwendige finanzielle Eingliederung der PTA in das
Unternehmen der Klägerin bestehe nicht, weil die unmittelbare Beteiligung
(von 60 v.H.) und die (mittelbare) Beteiligung des
Minderheitsgesellschafters (von 20 v.H.) an der PTA nicht addiert werden
dürften.
Mit der Revision
rügt das FA unrichtige Anwendung von § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG 1993. Es legt dar, dass die Klägerin die PTA und die PS finanziell
beherrsche, weil die unmittelbare Beteiligung der Klägerin und die
mittelbare Beteiligung des Gesellschafters K der Klägerin an der PTA und
der PS zusammengezählt werden
müssten.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin
ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat
zutreffend entschieden, dass die PTA und die PS nicht Unternehmensteile des
Unternehmens der Klägerin waren (§ 2 Abs. 2 Nr. 2
Satz 3 UStG). Die dafür erforderliche finanzielle Eingliederung
(§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG) ist nicht
gegeben.
1. Die gewerbliche oder
berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2
Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische
Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist
(Organschaft). Die Klägerin konnte danach nicht Organträger für
die PTA und die PS als Organgesellschaften sein, weil diese nicht finanziell in
das Unternehmen der Klägerin eingegliedert waren.
a) Eine finanzielle
Eingliederung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) vor, wenn der Organträger unmittelbar oder mittelbar in einer Weise
an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen (durch
Mehrheitsbeschlüsse) durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 20. Januar 1999
XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136; vom 26. Februar 1998
V B 97/97, BFH/NV 1998, 1267). Maßgebend ist die Stimmenmehrheit
(vgl. auch § 14 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes
--KStG--). Die Mehrheit der Stimmrechte aus Anteilen an der Organgesellschaft
muss über 50 v.H. der gesamten Stimmrechte betragen, sofern keine
höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der
Organgesellschaft erforderlich
ist.
Die Stimmenmehrheit des
Organträgers für Beschlüsse in der Organgesellschaft kann auch
durch mittelbare Beteiligung erreicht werden. Eine mittelbare Beteiligung ist
vorhanden, wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft über
eine Beteiligung (als Gesellschafter) an einer Gesellschaft erreicht wird, die
unmittelbar mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft beteiligt ist, oder
wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den
Gesellschaftern der Organträgergesellschaft gehalten wird, z.B. dadurch,
dass der Mehrheitsgesellschafter des Organträgers auch über die
Stimmenmehrheit in der Organgesellschaft verfügt (so im Fall des BFH in
BFH/NV 1999, 1136). Die finanzielle Eingliederung ist vorhanden, wenn der
Organträger auf diese Weise mittelbar seinen Willen in der
Organgesellschaft durchsetzen kann. Maßgebend ist, dass die
Stimmenmehrheit allgemein und nicht nur im Einzelfall erreicht werden
kann.
b) Im Streitfall sichert
die Beteiligung des Minderheitsgesellschafters K an PTA und PS (mit
20 v.H.) mit der unmittelbaren Beteiligung der Klägerin an diesen
Gesellschaften (mit 60 v.H.) nicht, dass die für Beschlüsse in
der PTA und PS notwendige Mehrheit von 65 v.H. erreicht wird. Die
Stimmenmehrheit der Klägerin in der PTA und der PS hängt von dem
jeweiligen Stimmverhalten des K ab. Stimmt er nicht zusammen mit der
Klägerin, kann diese mit ihrem Anteil von 60 v.H. ihren Willen in den
bezeichneten Gesellschaften nicht durchsetzen, weil Beschlüsse mit einer
Mehrheit von 65 v.H. gefasst werden müssen. Eine vom Willen der
Klägerin abweichende Willensbildung bei ihrem Minderheitsgesellschafter K
ist nicht ausgeschlossen, weil er bei der Willensbildung in der Klägerin
überstimmt worden sein kann, denn ihm stehen insoweit nur 20 v.H. der
Stimmrechte zu.
Die Beteiligung
eines Minderheitsgesellschafters an der Beteiligungsgesellschaft kann erst dann
zu den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters hinzugezählt werden, wenn
dieser sich durch eine Stimmrechtsbindung zu einem gleich gerichteten
Stimmverhalten verpflichtet hat. Dafür gibt es im Streitfall weder
Feststellungen noch
Anhaltspunkte.
Solange somit
nicht gewährleistet ist, dass die Klägerin ihren Willen aufgrund ihrer
finanziellen Beteiligung an der juristischen Person durchsetzen kann, ist die
Beteiligungsgesellschaft nicht in ihr Unternehmen
eingegliedert.
2. Die
Vorentscheidung ist mit diesen Grundsätzen vereinbar. Da der Betrag der vom
FG festgesetzten Steuer der Klägerin für das Streitjahr zwischen den
Beteiligten nicht umstritten ist, wird die Vorentscheidung
bestätigt.