BUNDESFINANZHOF
1.
Wurde eine Rechnung mit Steuerausweis über eine nicht ausgeführte
Leistung an den Aussteller zurückgegeben oder storniert, ohne dass der
Empfänger der Rechnung die ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abzog, so ist
die Gefährdung für das Steueraufkommen durch die Rechnung beseitigt;
die nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldete Steuer ist zu berichtigen
(Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. September 2000 Rs. C-454/98, Schmeink
& Cofreth/Manfred Strobel, UVR 2000, 424, UR 2000,
470).
2. Die
Berichtigung der Steuer kann im Verfahren über die angefochtene
Umsatzsteuerfestsetzung erfolgen, wenn noch in demselben Besteuerungszeitraum
die Gefährdung beseitigt wurde.
UStG 1980 § 14 Abs.
3 Richtlinie 77/388/EWG Art.
21 Nr. 1 Buchst. c
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Urteil vom 22. Februar 2001 V R
5/99
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Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1998,
1225)
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Gründe
I.
Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) ist eine am 9. August 1988 wegen Vermögenslosigkeit im
Handelsregister gelöschte GmbH in Liquidation, die zuvor im Textilhandel
tätig gewesen war.
Die
Klägerin hatte am 27. März 1987 (Streitjahr: 1987) eine Rechnung
an eine P GmbH in V über die Lieferung von Textilien für
219 820 DM zuzüglich 30 669,20 DM Umsatzsteuer
ausgestellt. Der Rechnungsbetrag wurde von einer H GmbH --die nicht
Rechnungsadressatin war-- mit Überweisungsauftrag vom 2. April 1987
auf ein Konto der Klägerin überwiesen. Die abgerechnete Leistung wurde
von der Klägerin nicht ausgeführt und auch nicht in ihren
Umsatzsteuer-Voranmeldungen
angegeben.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfuhr von dem Vorgang durch eine
Kontrollmitteilung und zog die Klägerin im Umsatzsteuerbescheid für
1987 u.a. mit dem gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag gemäß
§ 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 zur Umsatzsteuer
heran.
Einspruch und Klage hatten
keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass das Abrechnungspapier
vom 27. März 1987 eine für den Vorsteuerabzug geeignete Rechnung
gewesen sei und die Klägerin mit deren Ausgabe die Voraussetzungen des
§ 14 Abs. 3 UStG erfüllt habe. Die Rechnung sei nicht als
eine ggf. unschädliche "Voraus-Rechnung" gekennzeichnet gewesen, auch wenn
sie, wie die Klägerin vorgetragen habe, zur Vorfinanzierung der
abgerechneten --aber dann nicht ausgeführten-- Leistung habe dienen sollen.
Soweit die Klägerin geltend mache, die Rechnung sei später von ihr
storniert worden, ändere sich daran nichts. § 14 Abs. 3 UStG
lasse keine Korrektur zu. Ob eine Korrektur im Billigkeitsverfahren in Betracht
kommen könne, sei im vorliegenden Verfahren zur Steuerfestsetzung nicht zu
prüfen. Die Entscheidungsgründe des FG-Urteils sind in Entscheidungen
der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1225
veröffentlicht.
Zur Verwendung
der Rechnung gibt das FG-Urteil lediglich den Vortrag der Klägerin wieder,
dass "eine eventuelle Gefährdungslage ... durch Stornierung der Rechnung
vor Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs bei der Rechnungsempfängerin
beseitigt worden sei. Sollte es dagegen zutreffen, dass die Rechnung nur
irrtümlich an die Fa. P gerichtet worden sei und deshalb von dieser
unverzüglich an sie zurückgesandt worden sei --wie vom FA V in einem
an das beklagte FA gerichtetem Schreiben vom 15. September 1995 dargelegt--
fehle es ebenfalls an einer Gefährdung des Steueraufkommens". Ausweislich
dieses Schreibens hatte sich herausgestellt, "daß diese Rechnung
irrtümlich an die Firma P...GmbH gerichtet war, was die Fa. P...
veranlaßte, besagte Rechnung ... zurückzuschicken". Ferner hatte lt.
Schreiben vom 15. September 1995 der Betriebsprüfer festgestellt, dass
die Rechnung weder verbucht noch die darin enthaltene Vorsteuer in Höhe von
30 699,20 DM geltend gemacht
wurde.
Mit der --vom Senat
zugelassenen-- Revision rügt die Klägerin Verletzung von
§ 14 Abs. 3 UStG 1980. Sie beantragt, das angefochtene Urteil und
den Umsatzsteuerbescheid für 1987
aufzuheben.
Das FA tritt der
Revision entgegen. Es vertritt im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen
des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Beschluss vom 15. Oktober 1998
V R 38/97, V R 61/97, BFHE 187, 84) die Auffassung, eine
Prüfung der Berichtigungsmöglichkeit für die Rechnung sei im
vorliegenden Verfahren nicht erforderlich, weil eine Berichtigung nicht in
Betracht komme. Nicht die Klägerin habe auf die Beseitigung der
Gefährdungslage für das Steueraufkommen hingewirkt, Auslöser des
gesamten Prüfungsverfahrens sei vielmehr ein Auskunftsersuchen des FA S,
bei dem der Vorsteuerabzug aus der Rechnung geltend gemacht worden sei. Zwar
habe das FA V mitgeteilt, dass die P GmbH die Rechnung an die Klägerin
zurückgesandt habe. Ob das tatsächlich geschehen sei, könne weder
von ihm, dem beklagten FA, noch vom FA V zutreffend beurteilt werden. Dagegen
spreche, dass beim FA S versucht worden sei, aus dieser Rechnung den
Vorsteuerabzug geltend zu machen. Auch der Vortrag der Klägerin, sie habe
nicht die Rechnung zurückerhalten, sondern der P GmbH eine Gutschrift
erteilt, spreche dagegen.
Die
Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung
verzichtet.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung
der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1.
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum
gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen
Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie
ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist,
obwohl er ... eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt
(§ 14 Abs. 3 UStG 1980). Im Streitfall kommt die letztgenannte
Alternative in Betracht.
Die
Vorschrift ist als abstrakter Gefährdungstatbestand gefasst. Eine Korrektur
der Inanspruchnahme des Rechnungsausstellers sieht das Umsatzsteuergesetz nicht
vor; Ausnahmen davon wurden in bestimmten Fällen durch die Rechtsprechung
zugelassen (vgl. die Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechungsentwicklung
in BFHE 187,
84).
Gemeinschaftsrechtliche
Grundlage für § 14 Abs. 3 UStG ist Art. 21 Nr. 1
Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach der Bestimmung schuldet
die Mehrwertsteuer "jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder
einem ähnlichen Dokument ausweist". Die Bestimmung enthält keine
ausdrückliche Regelung über die Möglichkeit, solche Rechnungen zu
berichtigen und damit die Steuerschuld rückgängig zu machen. Der
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) führte zur
Auslegung der Bestimmung auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats (vgl.
BFHE 187, 84) mit Urteil vom 19. September 2000 Rs. C-454/98, Schmeink
& Cofreth AG & Co. KG, Manfred Strobel, Umsatzsteuer- und
Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000, 424)
aus:
1. Hat der Aussteller der
Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und
vollständig beseitigt, so verlangt der Grundsatz der Neutralität der
Mehrwertsteuer, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt
werden kann, ohne dass eine solche Berichtigung vom guten Glauben des
Ausstellers der betreffenden Rechnung abhängig gemacht werden
darf.
2. Es ist Sache der
Mitgliedstaaten, das Verfahren festzulegen, in dem zu Unrecht in Rechnung
gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, wobei diese Berichtigung nicht
im Ermessen der Finanzverwaltung stehen
darf.
Nach Rdnr. 66 f.
des Urteils kann ein Mitgliedstaat zwar den Standpunkt einnehmen, dass die
Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer in einem
anschließenden Verfahren vorgenommen werden muss, damit die
Finanzverwaltung insbesondere dann, wenn die zu Unrecht in Rechnung gestellte
Mehrwertsteuer abgezogen wurde, prüfen kann, ob jede Gefährdung des
Steueraufkommens ausgeschlossen ist. Ist eine solche Gefährdung
ausgeschlossen, so darf die Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten
Mehrwertsteuer jedoch nicht im Ermessen der Finanzverwaltung
stehen.
2. Das FG-Urteil war
aufzuheben, weil es auf davon abweichenden Grundsätzen zur Anwendung des
§ 14 Abs. 3 UStG beruht. Die Sache war zurückzuverweisen,
weil die vom FG getroffenen Feststellungen eine abschließende Entscheidung
durch den Senat nicht zulassen.
Die
Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Steuer (als Korrektur der
bisherigen Steuerfestsetzung) kann hier im Verfahren über die angefochtene
Umsatzsteuerfestsetzung für 1987 jedenfalls dann erfolgen, wenn noch im
Streitjahr eine Gefährdung des Steueraufkommens (durch
Vorsteuerabzugsmöglichkeit eines Rechnungsempfängers) beseitigt
wurde.
Ergeben die nachzuholenden
Feststellungen, dass die aufgrund der Rechnungserteilung mit Steuerausweis
geschaffene Gefährdungslage für das Steueraufkommen aufgrund einer
Rückgabe der Rechnung an die Klägerin bzw. einer Stornierung der
Rechnung --ohne dass die darin ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abgezogen
worden war-- beseitigt wurde, ist die angefochtene Steuerfestsetzung zu
berichtigen. Auf wessen Tätigkeit diese Beseitigung zurückgeht, spielt
dann keine Rolle. Die Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzungen
entspricht dann den Berichtigungsvoraussetzungen nach § 17 Abs. 1
Satz 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG. Unter diesen
Voraussetzungen bedarf es keines gesonderten
Billigkeitsverfahrens.
Sollte die
Rechnungsrückgabe oder -stornierung erst in einem Besteuerungszeitraum nach
dem Streitjahr erfolgt sein, kommt u.U. nur noch die Durchführung eines
Billigkeitsverfahrens --allerdings ohne Ermessensspielraum der Verwaltung
über den Erlass der Steuer-- in Betracht, um dem Berichtigungsgebot
nachzukommen, z.B. wenn die entsprechenden Steuerfestsetzungen bereits
unabänderbar sind.