BUNDESFINANZHOF
Dem
Unternehmer steht unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG
der Vorsteuerabzug zu, wenn er zur Zeit des Leistungsbezugs die durch objektive
Anhaltspunkte belegte Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche
Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht gemäß
§ 15 Abs. 2 UStG ausschließen. Es reicht aus, dass der
Unternehmer die --durch objektive Anhaltspunkte belegte-- Absicht hat, auf die
Steuerfreiheit der Verwendungsumsätze zu verzichten. Dies gilt auch
für Leistungsbezüge, die --z.B. wegen Verlusts, Beschädigung oder
Projektaufgabe-- gegenständlich in keine Ausgangsumsätze eingehen
(sog. Fehlmaßnahmen; Anschluss an Urteile des EuGH vom 8. Juni 2000
Rs. C-396/98, Schloßstraße, UVR 2000, 308, und vom 8. Juni
2000 Rs. C-400/98, Breitsohl, UVR 2000, 302, und des BFH vom
22. Februar 2001 V R 77/96, und vom 8. März 2001
V R 24/98).
UStG 1993 § 15
Abs. 2
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Urteil vom 22. März 2001
V R 46/00
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Vorinstanz: FG Köln (EFG 2000,
971)
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Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren
Gegenstand u.a. die Vorbereitung und Entwicklung von Immobilien-Projekten sowie
die Durchführung von Bauprojekten als Generalunternehmer ist. Zumindest bis
einschließlich der Streitjahre (1994 bis 1996) tätigte sie lediglich
steuerpflichtige Umsätze.
Die
Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom
31. März 1994 ein bebautes Grundstück. Nach Abschluss des
Kaufvertrages begann sie mit der Planung eines neuen Projektes. Hierfür
beauftragte sie entsprechende Unternehmer, z.B. Statiker, Architekten u.ä.
Die in deren Rechnungen offen ausgewiesene Umsatzsteuer zog die Klägerin
als Vorsteuer ab.
Nachdem sich
herausgestellt hatte, dass sich mit dem Grundstück ein erfolgversprechendes
Projekt nicht realisieren ließ, brach die Klägerin die
Vorbereitungshandlungen ab und trat vom Kaufvertrag zurück. Dies war nach
dem Kaufvertrag
möglich.
Aufgrund einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug mit der Begründung, da eine
Selbstnutzung des Objektes durch die Klägerin nicht vorgesehen sei,
verblieben als mögliche Ausgangsumsätze nur der Verkauf oder die
Vermietung. Diese Umsätze seien steuerbefreit. Eine Option zur
Steuerpflicht setze voraus, dass tatsächliche Leistungen an einen anderen
Unternehmer für dessen Unternehmen erfolgten und dieser das Grundstück
für Umsätze verwende, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
Eine fiktive Option sei nicht möglich. Das FA kürzte deshalb den von
der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug
entsprechend.
Das Finanzgericht (FG)
gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es meinte, der
Vorsteuerabzug sei nicht nach § 15 Abs. 2 des
Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) ausgeschlossen, da die umstrittenen
Vorbezüge --entsprechend den Grundsätzen des Urteils des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. September 1994 V R 12/93 (BFHE
176, 149, BStBl II 1995, 88)-- nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten den von der
Klägerin tatsächlich ausgeführten Umsätzen zuzurechnen seien
(vgl. Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2000,
971).
Mit der Revision rügt das
FA Verletzung materiellen Rechts; es meint, die Rechtsprechung des BFH, auf die
sich die Vorentscheidung stütze, finde im Streitfall keine
Anwendung.
II.
Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung entspricht nicht den Grundsätzen, die der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und daran anschließend der BFH
für Leistungsbezüge entwickelt haben, bei denen es zur Ausführung
der beabsichtigten Umsätze nicht
kommt.
1. Das FG hat zwar zutreffend
die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG für den
begehrten Vorsteuerabzug
bejaht.
Nach dieser Vorschrift kann
der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von
anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als
Vorsteuerbeträge abziehen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall
erfüllt; die Klägerin hat die ihr in Rechnung gestellten Umsätze,
um die es hier geht, für ihr Unternehmen
bezogen.
2. Das FG hat aber zu
Unrecht bei der Frage, ob der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2
UStG ausgeschlossen ist, auf die Rechtsprechung des BFH zurückgegriffen,
die durch die Urteile des EuGH vom 8. Juni 2000 Rs. C-396/98,
Schloßstraße (Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000,
308) und vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98, Breitsohl (UVR 2000, 302) und
die daran anschließenden Urteile des BFH vom 22. Februar 2001
V R 77/96 und vom 8. März 2001 V R 24/98
überholt ist.
Nach
§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist die Steuer für die Lieferung
von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der
Unternehmer zur Ausführung der im Gesetz näher bestimmten steuerfreien
Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug
ausgeschlossen.
Nach der
älteren Rechtsprechung des BFH kam es auf die tatsächliche Verwendung
an, falls die beabsichtigte und die tatsächliche Verwendung sich nicht
deckten. Die beabsichtigte Verwendung der Eingangsumsätze für
steuerpflichtige Ausgangsumsätze eröffnete nur "materiell
vorläufig" den Vorsteuerabzug; die beabsichtigte Verwendung für
steuerfreie Umsätze schloss ihn nur "materiell vorläufig" aus.
Endgültig sollte die tatsächliche Verwendung maßgeblich sein.
Leistungsbezüge, die --z.B. wegen Verlusts, Beschädigung oder
Projektaufgabe-- in keine Ausgangsumsätze gegenständlich eingehen
(sog. Fehlmaßnahmen), sollten (endgültig) denjenigen
Ausgangsumsätzen zugerechnet werden, zu denen sie nach
Kostenzurechnungsgesichtspunkten gehörten (BFH in BFHE 176, 149, BStBl II
1995, 88).
Demgegenüber stellt
der EuGH in den Fällen, in denen die geplante wirtschaftliche
Tätigkeit nicht realisiert wird, maßgeblich auf die Absichten des
Steuerpflichtigen ab (EuGH-Urteile in UVR 2000, 302 und 308). Der BFH ist dem
unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung gefolgt (BFH-Urteile
V R 77/96, V R 24/98 und V R 39/00). Im Rahmen des
§ 15 Abs. 2 UStG kommt es entscheidend darauf an, ob der
Unternehmer zur Zeit des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte
belegte Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche
Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht gemäß
§ 15 Abs. 2 UStG ausschließen. Es reicht aus, dass der
Unternehmer die Absicht hat, auf die Steuerfreiheit der Verwendungsumsätze
zu verzichten (vgl. für beabsichtigte Grundstücksvermietung
BFH-Urteile V R 77/96 und
V R 24/98).
Wie das FA
ausführt, kommt im Streitfall als beabsichtigte Verwendung des
Grundstücks wohl nur eine Grundstücksveräußerung oder
Vermietung in Betracht. Die beiden in Betracht kommenden Verwendungsumsätze
sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bzw. nach § 4
Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei und schließen damit nach
§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug aus, falls die
Klägerin nicht die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hatte, auf
die Steuerfreiheit gemäß § 9 UStG zu
verzichten.
Das FG hätte
deshalb die Verwendungsabsichten der Klägerin
(Grundstücksveräußerung oder Grundstücksvermietung) in den
Streitjahren feststellen müssen. Sodann hätte es prüfen
müssen, ob die durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs bekundete
Absicht, auf die Steuerfreiheit der beabsichtigten Verwendung zu verzichten,
durch objektive Anhaltspunkte belegt ist. So kann z.B. von einer beabsichtigten
steuerpflichtigen Grundstücksvermietung nicht ausgegangen werden, wenn und
soweit in dem geplanten Objekt Wohnungen vorgesehen waren, da auf die
Steuerfreiheit der Vermietung von Wohnraum grundsätzlich nicht verzichtet
werden kann (vgl. § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 UStG).
Das FG erhält Gelegenheit, diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang
nachzuholen.
3. Der Senat
entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung durch Urteil (§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung).