BUNDESFINANZHOF














Die Überlassung eines urheberrechtlich geschützten Computerprogramms unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c Satz 1 Nr. 1 bis 3 UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt.

Wenn der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs nicht auf die Verbreitung des Computerprogramms, sondern überwiegend auf seine Anwendung für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers gerichtet ist, unterliegt der Umsatz dem regelmäßigen Steuersatz.


UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c
Urteil vom 27. September 2001 V R 14/01
Vorinstanz: FG Köln (EFG 2001, 713)

Gründe

I.
Die Unternehmensberatung AG (AN), eine Organgesellschaft der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), befasste sich u.a. mit der Erstellung von Computer-Software für Wirtschaftsunternehmen. Aufgrund eines Vertrags mit der Lebensversicherungs AG (AG) vom 23. September 1993 über die "Erstellung eines EDV-Anwendungssystems für die Passive Rückversicherung in der Lebensversicherung" übernahm sie die Erstellung von Spezialsoftware für deren Betrieb. In dem Vertrag heißt es u.a.:

"§ 1 Auftragsgegenstand und -ziel
Der AN erstellt für den AG eine Spezial-Software zur maschinellen, vollautomatischen Abwicklung aller Komponenten der Passiven Rückversicherung des AG. ... Das System ist insgesamt nach modernem, aber erprobtem Stand der Wissenschaft und Technik mit dem Ziel eines hohen Grades an Automatisierung, leicht modifizierbarem Standardablauf, Erweiterungsfähigkeit, einheitlicher und anwenderfreundlicher Benutzeroberflächen, hoher Verfügbarkeit und bei dem gegebenen Umfeld annehmbarer Antwortzeit herzustellen; das System muss effizient und robust sein. ... Das System soll in seiner Grundausprägung so angelegt sein, dass es auch außerhalb der Gegebenheiten bei dem AG anwendbar und modifizierbar ist.

§ 2 Leistungsbeschreibung und Vorgehensweise
Der Auftrag ist im Rahmen der bereits angesprochenen Anlage zu erfüllen, insbesondere sind folgende nachstehend schlagwortartig aufgeführten Leistungen zu erbringen: ..." (folgt die Leistungsbeschreibung)

"§ 5 Vergütung
Die Vergütung für den AN beträgt pauschal DM 1.114.048,- zzgl. MWST.
Spesen, Reisekosten und sonstige Aufwendungen, insbesondere die im ...-Entwicklungs-Zentrum (EZ) zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten mit Infrastruktur, sind mit dieser Vergütung abgegolten. Gleiches gilt bis zur Abnahme für die Kosten von Funktionsprüfungen, Tests und Fehlersuche.

§ 15 Eigentums- und Nutzungsrecht
Soweit an den Arbeitsergebnissen des AN Eigentumsrechte entstehen, gehen diese im Rahmen dieses Vertrages auf den AG über. Der AN bedarf der schriftlichen Zustimmung des AG, wenn er für den AG erstellte Programme oder andere Unterlagen anderweitig verwendet.
Der AG erhält mit Abnahme der Leistung das unwiderrufliche, unbeschränkte und ausschließliche sowie übertragbare Recht, die im Rahmen dieses Vertrages erbrachten Erstellungsleistungen auf sämtliche Arten zu nutzen. Der AN garantiert die Freiheit von Rechten Dritter an diesen Leistungen.
Zum Zwecke der Ausübung der vorgenannten uneingeschränkten Eigentums- und Nutzungsrechte übergibt der AN spätestens bei Abnahme alle einschlägigen Unterlagen, insbesondere den dem System zugrundeliegenden Quellcode."

In dem Umsatzsteuerbescheid gegen die Klägerin für das Streitjahr 1993 vom 26. September 1995 unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diesen Umsatz dem allgemeinen Umsatzsteuersatz und lehnte es auch in der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 1997 ab, die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 zu gewähren.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, die Klägerin könne den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG 1993 nicht beanspruchen, weil die Übertragung urheberrechtlich geschützter Positionen gegenüber der im Übrigen erbrachten Leistung soweit zurücktrete, dass dieser Anteil das umsatzsteuerliche Gepräge der gesamten Leistung nicht maßgeblich bestimmen könne.

Bei einer Würdigung des Gesamtvorgangs, insbesondere des zugrunde liegenden Vertrags vom 23. September 1993 habe die AN für AG nach den §§ 1 und 2 ein robustes und betriebssicheres System entwickeln und betriebsfähig installieren sollen. Insbesondere § 2 des Vertrags enthalte dazu genaue Bestimmungen des Projekts und der höchst speziellen Gegebenheiten, auf die dabei abzustellen seien. Die zusätzliche Übertragung von urheberrechtlich geschützten Positionen habe diese Hauptleistung wirtschaftlich lediglich abgerundet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 713 veröffentlichte Urteil Bezug genommen.

Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG. Dazu führt sie zur Begründung u.a. aus, die vertragliche Ausgestaltung der Anforderungen an die Herstellung der auf die Bedürfnisse des Auftraggebers AG zugeschnittenen Software bedeute nicht zwangsläufig, dass diese Leistung als Hauptleistung anzusehen sei. Die Übertragung sämtlicher Rechte an der entstandenen Individualsoftware prägten den Leistungsaustausch abschließend und entscheidend.

Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerfestsetzung für 1993 zu ändern.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die von der Organgesellschaft der Klägerin erbrachten Umsätze nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 unterliegen.

1. Die Steuer ermäßigt sich auf sieben v.H. der Bemessungsgrundlage für Umsätze durch die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993). Begünstigt ist danach u.a. die Einräumung (durch vertragliche Bestellung) und Übertragung von Nutzungsrechten durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften), die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden; denn das Urheberrecht selbst ist grundsätzlich nicht übertragbar.

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c ist in das UStG 1967 eingefügt worden, um die Umsätze von Urheberrechten den Umsätzen von Büchern, graphischen Erzeugnissen usw. gleichzustellen (Stenographischer Bericht über die 105. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. April 1967 - 5. Wahlperiode - Seite 4879).

Durch die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 Abs. 1 UrhG) wird der Empfänger berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Nutzungsberechtigten (einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG) oder unter Ausschluss aller anderen Personen (ausschließliches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG) auf die ihm vertraglich eingeräumte Art zu nutzen.

Rechte, die sich aus dem UrhG ergeben, können auch an Computerprogrammen (Software) eingeräumt oder übertragen werden. Das UrhG schützt denjenigen, der ein Computerprogramm durch eigenschöpferische Leistung geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG), gegen dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung (§ 69c Satz 1 Nr. 1 UrhG), gegen Bearbeitungen (§ 69c Satz 1 Nr. 2 UrhG) und gegen jede Form der Verbreitung (§ 69c Satz 1 Nr. 3 UrhG).

Computerprogramme gehören zu den durch das UrhG geschützten Sprachwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) aufweisen (vgl. dazu Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 69a UrhG Rz. 2 ff.; Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 69a Rz. 5 ff.; Fromm/Nordemann, Kommentar zum Urheberrecht, 9. Aufl., § 69a UrhG, Rdnr. 6), wovon im Streitfall auszugehen ist.

Der Urheber eines Computerprogramms kann allerdings einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder auf alle Arten zu nutzen (§§ 31 bis 41 UrhG). Ohne besondere Zustimmung des Rechtsinhabers darf die Person, die zur Benutzung des Programms berechtigt ist, Handlungen zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Computerprogramms vornehmen. In diesem Rahmen dürfen Vervielfältigungsstücke und Sicherungskopien angefertigt und das Funktionieren des Programms getestet werden (§ 69d Abs. 1 bis 3 UrhG).

2. Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 für die vertraglich vereinbarte Entwicklung eines urheberrechtsfähigen Computerprogramms zur Anwendung für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers setzt voraus, dass der Rechtsinhaber dem Leistungsempfänger nach dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werkes gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und ihm nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der Leistung sein (vgl. dazu auch Abschn. 168 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 2000; Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 22. Dezember 1993, BStBl I 1994, 45).

a) Dementsprechend ist die Überlassung von geschützten Computerprogrammen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c Satz 1 Nr. 1 bis 3 UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt (ebenso Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. August 1998, 93/13/0261,0262, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1998, 435; Anm. Klenk, UVR 1998, 436). In diesem Sinne ist auch der im Aussetzungsverfahren ergangene Beschluss des Senats vom 13. März 1997 V B 120/96 (BFH/NV 1997, 814) zu verstehen.

b) Dagegen ist die bloße zustimmungspflichtige oder zustimmungsfreie Befugnis zur Benutzung des urheberrechtlich gegen unbefugte Verbreitung geschützten Computerprogramms nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 begünstigt, wenn sich der Leistungsempfänger die Benutzung des für seine Bedürfnisse geschaffenen Computerprogramms hat vertraglich sichern wollen und ihm auch die Befugnis zur Vervielfältigung und Verbreitung zwar gestattet ist, von ihm aber nicht erstrebt wird. Beweisanzeichen dafür, dass die Einräumung von umfassenden Nutzungsrechten nur eine Nebenfolge der Herstellung und Installation des auf die individuellen Bedürfnisse des Auftraggebers zugeschnittenen Computerprogramms ist, sind z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die bei ihm vorhandenen Vertriebsvorbereitungen, die vorhandenen Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung und die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts (für die Entwicklung, die Benutzung und/oder die Verbreitung; Bemessung des Entgelts nach Aufwand für die Herstellung oder abhängig von der verbreiteten Stückzahl der Programme). Wenn der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs nicht auf die Verbreitung des Computerprogramms, sondern überwiegend auf seine Anwendung für die Bedürfnisse des Leistungsempfängers gerichtet ist, unterliegt der Umsatz dem regelmäßigen Steuersatz (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. August 2000 V B 87/00, BFH/NV 2001, 213 zur Anwendung einer Bibliothekssoftware; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. März 1997 V R 13/96, BFHE 182, 423, BStBl II 1997, 372 zur Veräußerung von Standardsoftware; FG Hamburg, Urteil vom 22. Mai 1997 II 209/94, EFG 1997, 1557; FG Köln, Urteil vom 19. Mai 1999 4 K 1135/96, EFG 1999, 1159; BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 45).

c) Es kann offen bleiben, ob der Senat zu der geschilderten Beurteilung nicht schon aufgrund richtlinienkonformer Beurteilung verpflichtet ist. Nach Art. 12 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) sind die Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können, abschließend in Anhang H bezeichnet. Die darin aufgezählten 17 Kategorien enthalten jedenfalls keine ausdrückliche Bestimmung für Computerprogramme.

3. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Organgesellschaft der Klägerin, AN, ein durch das UrhG geschütztes Computerprogramm (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) für AG durch sonstige Leistung entwickelt und für diesen Leistungsempfänger bereitgestellt hat. AN hat AG daran auch Nutzungsrechte eingeräumt (§ 31 Abs. 3 UrhG).

Der von ihr erbrachte Umsatz ist aber nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG steuerermäßigt, weil die Leistungen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt aus der Sicht des Leistungsempfängers in der Entwicklung und Einrichtung des Computerprogramms bestehen. Das ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen. Die Entwicklung und Installation eines Computerprogramms unterliegt als sonstige Leistung dem allgemeinen Steuersatz. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Entwicklung und Installation durch die Übertragung der Nutzungsrechte abgerundet wird.

Wie das FG zutreffend dargelegt hat, diente die Vereinbarung zwischen AN und AG vom 23. September 1993 über die Einräumung unbeschränkter Nutzungsrechte lediglich der Absicherung der ungehinderten Benutzung des für AG entwickelten und installierten Programms. Für eine umsatzsteuerrechtlich begünstigte Leistung, die in der Einräumung von Rechten zur Verbreitung und Veröffentlichung des Computerprogramms besteht, finden sich keine Anhaltspunkte. Nach den vertraglichen Grundlagen, die den Leistungen von AN an AG zugrunde lagen, hat AN für AG ein für deren individuelle betriebliche Bedürfnisse verwendbares Datenverarbeitungsprogramm entwickelt, dieses getestet, eingeführt und die Mitarbeiter geschult (§§ 1 bis 3 des Vertrages vom 23. September 1993). Die in § 4 festgelegte Vergütung ist pauschal bemessen worden und deckte ausdrücklich Spesen, Reisekosten, Kosten für Tests und Fehlersuche, sowie für die Räume im Entwicklungszentrum ab.

Weder ist ein Entgelt für die Verbreitung und Veröffentlichung des Computerprogramms vereinbart worden noch ist in dem vereinbarten Entgelt ein Hinweis auf eine an der Verbreitung und Vervielfältigung ausgerichtete Bemessung enthalten. Der Geschäftszweck des Leistungsempfängers AG (Krankenversicherungsschutz) lässt auch keinen Schluss auf Verbreitung des Programms zu. Vielmehr lässt sich nur das Interesse der AG erkennen, das Programm außerhalb des eigenen Geschäftskreises nicht zu verbreiten. Die nach dem Vorbringen der Klägerin allein gegebene Möglichkeit der Verwertung des Programms über die Benutzung für eigene geschäftliche Zwecke hinaus, reicht für die Steuerermäßigung nicht aus.