BUNDESFINANZHOF
Bezieht
ein Unternehmer Leistungen für ein Gebäude mit Wohn- und
Gewerbeflächen, ist die Aufteilung der Vorsteuerbeträge durch den
Unternehmer nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze als sachgerechte
Schätzung i.S. von § 15 Abs. 4 UStG
anzuerkennen.
UStG 1991 § 15 Abs.
4 Richtlinie 77/388/EWG
Art. 17 Abs. 5, Art. 19
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Urteil vom 17. August 2001
V R 1/01
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Vorinstanz: FG Münster (EFG
2001, 113)
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Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Das
Ladenlokal im Erdgeschoss vermietete er unter Verzicht auf die Steuerbefreiung
nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1991
(UStG) gemäß § 9 UStG an einen Unternehmer; das
Obergeschoss vermietete er zu Wohnzwecken an seine Schwester. Nach dem
Verhältnis der Raumvolumina entfielen 42 % des Gebäudes auf das
umsatzsteuerpflichtig vermietete Ladenlokal und 58 % auf die Wohnung. Die
Nettomieten betrugen jeweils monatlich für den Laden 2 000 DM,
für die Wohnung
80 DM.
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte im Anschluss an eine
Betriebsprüfung im geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1991 die
für Erhaltungsaufwendungen für das Gebäude --im Wesentlichen
für einen Fernwärmeanschluss-- angefallenen Vorsteuerbeträge
(insgesamt 3 701,81 DM) nur an, soweit sie bei Berücksichtigung
des Verhältnisses der Rauminhalte auf den unternehmerisch genutzten Teil
entfielen (42 %).
Der
Kläger begehrte dagegen die Berücksichtigung der Vorsteuern nach dem
Verhältnis der Mietumsätze. In Übereinstimmung mit dem FA setzte
er für die Wohnung einen der ortsüblichen Miete entsprechenden Betrag
von 300 DM an; demzufolge ermittelte er den abziehbaren Teil der
Vorsteuerbeträge mit
87 %.
Das Finanzgericht
(FG) gab der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2001, 113
veröffentlicht.
Mit
der Revision rügt das FA Verletzung materiellen
Rechts.
Das FA beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung
die Frage vorzulegen, ob sich aus Art. 19 Abs. 3 Satz 3 der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG
(Richtlinie 77/388/EWG) die Ermächtigung zu einem abweichenden
Aufteilungsverfahren (Aufteilung nach Flächen) entnehmen
lässt.
Der Kläger
beantragt die Zurückweisung der Revision.
II.
Die Revision ist unbegründet. Bezieht ein
Unternehmer Leistungen für ein Gebäude mit Wohn- und
Gewerbeflächen, ist die Aufteilung der Vorsteuerbeträge durch den
Unternehmer nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze als sachgerechte
Schätzung i.S. von § 15 Abs. 4 UStG
anzuerkennen.
1. Da der
Kläger das erworbene Gebäude teilweise zur Ausführung
steuerpflichtiger Vermietungsumsätze (Ladenlokal) und teilweise zur
Ausführung steuerfreier Vermietungsumsätze (Wohnung) verwendet, ist
gemäß § 15 Abs. 4 UStG der Teil der
Vorsteuerbeträge auf die Gebäudeherstellung nicht abziehbar, der den
zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden
Wohnungsvermietungsumsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach
Satz 2 der Vorschrift kann der Unternehmer die nicht abziehbaren
Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung
ermitteln.
a) Kriterien für
eine "sachgerechte Schätzung" im Sinne der Vorschrift umschreibt das
Umsatzsteuergesetz nicht ausdrücklich. § 15 Abs. 4
Satz 1 UStG stellt lediglich das Erfordernis einer "wirtschaftlichen
Zurechnung" von Vorsteuerbeträgen zu den mit der bezogenen Leistung
ausgeführten Umsätzen
auf.
Das FA meint unter Hinweis
auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, sachgerecht i.S. einer
"wirtschaftlichen Zuordnung" sei bei Vorbezügen für die Renovierung
eines gemischt genutzten Gebäudes nur eine Aufteilung der
Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der zum Vorsteuerabzug
berechtigenden bzw. diesen ausschließenden Verwendung der Flächen
oder Raumvolumina. Aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 15
Abs. 4 UStG 1991 ergibt sich für diese Auslegung jedoch kein
Anhaltspunkt; dieser ist insoweit nicht eindeutig, denn sachgerecht i.S. einer
"wirtschaftlichen Zurechnung" sind auch andere Zurechnungskriterien wie z.B.
eine Aufteilung nach dem Verhältnis der ausgeführten Umsätze. Die
Auslegung des Begriffs der "wirtschaftlichen Zuordnung" ist deshalb anhand der
Vorgaben des gemeinschaftsrechtlichen Mehrwertsteuersystems vorzunehmen (zur
richtlinienkonformen Auslegung vgl. EuGH-Urteile vom 7. Dezember 1995
Rs. C-472/93 Luigi Spano, Slg. 1995, I-4321, Europäische
Zeitschrift für Wirtschaft --EuZW-- 1996, 185; vom 8. Oktober 1987
Rs. 80/86 Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung --HFR-- 1988, 594; z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs
--BFH-- vom 27. Juli 2000 V R 55/99, BFHE 193, 156; vom
2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter
II. 3. b bb).
b)
Gemeinschaftsrechtlich ist in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie
77/388/EWG für die Vorsteueraufteilung Folgendes
vorgegeben:
"Soweit
Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl
für Umsätze verwendet werden, für die nach den
Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch
für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der
Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf
den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata-Satz
wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen
bewirkten Umsätze
festgelegt.
Jedoch können die
Mitgliedstaaten
a) dem
Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen
besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche
getrennte Aufzeichnungen geführt
werden;
b) den Steuerpflichtigen
verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen
Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte
Aufzeichnungen zu führen;
c)
dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der
Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder
Dienstleistungen vorzunehmen;
d) dem
Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der
in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und
Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze
verwendet wurden;
e)
..."
Für die Berechnung des
Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs schreibt Art. 19 der Richtlinie
77/388/EWG in Abs. 1
vor:
"Der Pro-rata-Satz des
Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus
einem Bruch; dieser enthält:
- im Zähler den je Jahr ermittelten
Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 Absätze 2 und 3
berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;
- im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag
der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden
Umsätze abzüglich der Mehrwertsteuer. ...
- Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in
Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz
abgerundet."
Nach der
Rechtsprechung des EuGH (z.B. Urteile vom 8. Juni 2000 Rs. C-98/98
-Midland Bank-, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 342, Umsatzsteuer- und
Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000, 348 Rz. 20; vom 6. April 1995
Rs. C-4/94 -BLP-Group.-, Slg. 1995, I-983, UR 1996, 427 Rz. 18 und 19)
folgt aus der Formulierung in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG
--"für ... verwendet werden"--, dass das in Art. 17 Abs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug (nur) entsteht, wenn
die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen direkt und unmittelbar mit
Ausgangsumsätzen zusammenhängen, die den Vorsteuerabzug zulassen.
Für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen in Fällen
gemischter (d.h. zum Vorsteuerabzug berechtigender und nicht berechtigender)
Verwendung geht die Richtlinie 77/388/EWG in Art. 17 Abs. 5
Unterabs. 1 und Art. 19 als Regel-Aufteilungsmaßstab von
einem Umsatzschlüssel aus, ohne danach zu unterscheiden, ob der
Unternehmer den Gegenstand angeschafft oder selbst hergestellt hat. Bei
richtlinienkonformer Auslegung ist als "sachgerecht" i.S. des § 15
Abs. 4 UStG deshalb ein den Vorgaben des Art. 17 Abs. 5 der
Richtlinie 77/388/EWG entsprechendes Aufteilungsverfahren anzuerkennen, das
--objektiv nachprüfbar-- nach einheitlicher Methode die beiden
"Nutzungsteile" eines gemischt verwendeten Gegenstandes bzw. einer sonstigen
Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen
Umsätzen zurechnet (vgl. für die Aufteilung von
Vorsteuerbeträgen bei Erwerb eines gemischt genutzten Gebäudes
Senatsurteile vom 5. Februar 1998 V R 101/96, BFHE 185, 524,
BStBl II 1998, 492, unter 2. b; vom 12. März 1998 V R 50/97,
BFHE 185, 530, BStBl II 1998, 525). An der im Urteil vom 12. März 1992
V R 70/87 (BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755, unter 2. b dd
zu § 15 UStG 1980) vertretenen Auffassung hält der Senat nicht
mehr fest.
Hat der Unternehmer
ein i.S. des § 15 Abs. 4 UStG sachgerechtes Aufteilungsverfahren
gewählt, ist dieser Maßstab auch für nachfolgende
Besteuerungszeiträume der Besteuerung zugrunde zu legen. Dieser
Aufteilungsmaßstab ist auch maßgebend für eine mögliche
Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bei Änderungen, die sich
auf die Höhe der steuerfreien oder steuerpflichtigen Mietumsätze
auswirken.
c) Offen bleiben
kann, ob die den Mitgliedstaaten in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3
Buchst. a bis e der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten
Möglichkeiten zur Modifizierung des Pro-rata-Satzes oder --wie das FA
meint-- Art. 19 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG eine
Regelung zuließe, wonach bei gemischter Verwendung eines Gebäudes die
Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Flächen oder
Raumvolumina aufgeteilt werden müssen. Hierfür hätte es
jedenfalls zunächst einer eindeutigen gesetzlichen Regelung bedurft, die
dann allerdings auf ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie 77/388/EWG zu
überprüfen
wäre.
d) Da der Kläger
nach den Feststellungen des FG objektiv nachprüfbar nach einheitlicher
Methode die Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze
aufgeteilt hat, hat das FG zu Recht diesen Aufteilungsmaßstab als
sachgerecht beurteilt.